Die Hohe Brücke in Wien: ein echtes Jugendstil-Juwel

Wien @isabella_muenchen Isabella Müller

In Wiens Straßen entdecke ich immer wieder aufs Neue wunderbare Sehenswürdigkeiten, die oftmals so selbstverständlich sind für mich, dass sie ganz einfach übersehe wie die Hohe Brücke im 1. Wiener Gemeindebezirk. Dieses Jugendstil-Juwel entstand in den Jahren 1903 bis 1904 und überspannt den Tiefen Graben im Verlauf der Wipplingerstraße. Schon zu Zeiten der Römer und der Babenberger befand sich dort ein Tor. Daran erinnert eine Tafel an der Wipplingerstraße 22 mit der Inschrift: „Hier stand zur Zeit der Babenberger ein Stadtthor.“ Die damalige Brücke im Jahr 1295 war aus Holz und im Tiefen Graben floss einst der Ottakringer Bach, danach ein Arm des Alsbachs. Aufgrund der Ableitung des Alsbachs wurde die Holzbrücke durch eine gemauerte Brücke mit einem Spitzbogen ersetzt. In der Zeit Leopolds des I. wurde auf einer Seite der Brücke Anfang des 18. Jahrhunderts durch die Theatiner, einem katholischen Männerorden, die Figur des Heiligen Nepomuk, dem Schutzpatron der Brücken, aufgestellt. Auf die andere Seite kam eine Statue des Heiligen Kajetan von Tiene, der 1524 den Theatinerorden gegründet hatte. Das Kloster der Theatiner, das 1707 erbaut wurde, grenzte direkt an die Hohe Brücke an. Die im Jahr 1725 erbaute Johanneskapelle entstand auf Initiative des Kardinal von Sachsen-Zeiz um die Johannesstatue und hatte an jeder Seite eine Tür, von der man in überdachte Gänge gelangte, die zum Tiefen Graben führten. Später wurden diese Gänge entfernt und durch eine Stiege ersetzt, die zum Haus „Zum Bacchus“ führte. Nach Niedergang des Ordens durch Aufhebung von Kaiser Joseph II. 1783 wurde auch die Statue des Heiligen Kajetan von Tiene beseitigt. Die Wipplingerstraße musste aufgrund des wachsenden Verkehrsaufkommens verbreitert werden. Da die Hohe Brücke Sprünge und Risse aufwies, wurde sie in den Jahren von 1857 bis 1858 durch eine neugotische Brücke ersetzt. Die neue Brücke hatte einen Brückenbogen in Form eines Tudorbogens, eine steinerne Brüstung als Geländer und war an beiden Seiten mit den Wappen von Wien und Niederösterreich mit der Jahreszahl 1858 verziert. Die neue Brücke entsprach mit ihren Maßen der alten Brücke und war somit sehr kurz und schmal. Dabei betrug die lichte Spannweite 6 Meter, die lichte Durchfahrtshöhe 6,80 Meter und die Breite der Fahrbahn 7 Meter. Die Johanneskapelle fiel dem Bau der neuen Brücke zum Opfer und wurde entfernt. Doch die neue Brücke hielt der Belastung des stetig wachsenden Verkehrs nicht stand und musste nach nur 45 Jahren durch die heutige neue Brücke in den Jahren 1903 bis 1904 ersetzt werden. So entstand die dritte Brücke nach den Plänen der Architekten Josef Hackhofer und Karl Christl im Jugendstil. Für die Stahlkonstruktion war Anton Biró und der Hofbaumeister Heinz Gerl verantwortlich. Die Hohe Brücke mit ihrer Marmorverkleidung an der Gravuren der früheren Brücken mit den Jahreszahlen 1782 bis 1857 sowie 1858 bis 1903, in denen sie entstanden und demontiert wurden, sowie die Wappen von Wien und Niederösterreich zusehen sind, ist wirklich schon von Weitem ein Hingucker. Die Brücke hat zwei Treppen, die von der Wipplingerstraße hinunter zum Tiefen Graben und umgekehrt führen. Die tragende Konstruktion der Brücke ist mit Wellblech und die Seitenansichten sind mit Carrarer Marmor verkleidet. In den Eckfeldern der Marmorverkleidung sind die Ansichten der beiden Vorgängerbauten mit Goldauflage eingraviert. Die Geländer bestehen aus eisernen Stäben mit reich verzierten Jugendstilornamenten. Unter der Brücke befinden sich Geschäftsportale im Stil der alten Rollbalkenläden, die aber nur Zierde sind, da sie nur einen halben Meter tief sind. Die neue Hohe Brücke hat eine Spannweite von 15 Metern und eine Gesamtbreite von 16,5 Metern. Das Gewicht der Eisenkonstruktion beträgt 107 Tonnen. Die Hohe Brücke wurde in den Jahren 1979 bis 1981 und im Jahr 1996 saniert und steht unter Denkmalschutz. Ich nahm diese Brücke zum ersten Mal so richtig war, obwohl ich sie bestimmt gefühlte hundert Mal von oben und unten überquert und durchquert hatte. Die Hohe Brücke zählt zurecht zu einer der schönsten technischen Jugendstilbauten Wiens. Besonders nachts, wenn sie beleuchtet wird, erstrahlt sie in einem wunderbaren Glanz. Euch wünsche ich einfach viel Freude mit meinen Fotos einer fast vergessenen und so selbstverständlichen Sehenswürdigkeit in Wiens Altstadt. 🙂

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