Riesige Glockenmänner und ein goldenes Ei auf dem Augustusplatz in Leipzig

Isabella Müller Leipzig @isabella_muenchen

Mit seinen 40.000 Quadratmetern zählt der Augustusplatz in Leipzig zu einem der größten Stadtplätze Deutschlands. Dieser im Herzen Leipzig gelegene Platz beherbergt auf seiner Westseite das Krochhochhaus in der Goethestraße. Soweit nichts ungewöhnliches, wäre es nicht Leipzigs erstes Hochhaus, das bekrönt ist von einer wunderschönen Glockenschlägerplastik, die dem Uhrenturm „Torre dell Orologio“, der auf dem Markusplatz in Venedig steht, zum Vorbild hatte. Ich bin jedes Mal fasziniert von den zwei 3,30 Meter großen Männern auf dem Dach des Hochhauses, die von Josef Wackerle geschaffen wurden und ihre Arbeit bis heute vorzüglich verrichten. So schlägt der rechte Glockenmann die große Glocke zur vollen Stunde, während der linke die mittlere Glocke zur Viertelstunde anschlägt. Die kleine Glocke kündigt den eben genannten Viertelstundenschlag an und wird von innen geschlagen. Die Glocken stammen aus der Glockengießerei Schilling & Söhne aus Apolda. Unter der Glockenschlägerplastik befindet sich die lateinische Inschrift: „Omnia vincit labor“, „Arbeit überwindet alles“. Darunter in Höhe der 12. Etage ist an der Muschelkalkfassade eine Anzeige der Mondphasen angebracht, die von zwei Löwen, dem Wappentier Venedigs und Leipzigs, eingerahmt ist. Direkt darunter befindet sich eine riesige Uhr, die von Bernhard Zachariä gefertigt wurde. Der Name des Krochhochhauses geht auf seinen Auftraggeber, den jüdischen Bankier Hans Kroch zurück. Entworfen wurde das erste Hochhaus Leipzigs von dem Architekten German Bestelmayer, der es von 1927 bis 1928 aus Stahlbeton baute. Heute zählt das 43 Meter hohe Krochhochhaus zu einem der Wahrzeichen Leipzigs. Doch bis dahin war es ein harter Weg. Denn der Bau eines so hohen Gebäudes auf schmalem Grund und Boden löste zahlreiche Proteste in der Leipziger Bevölkerung aus. Darum sollte das Hochhaus zuerst nur eine Höhe von 35,50 Metern haben, das in etwa 10. Etagen entspricht. Danach einigte man sich zusammen mit dem Architekten auf eine Höhe von 39,50 Metern. Die oberen vier Etagen wurden als Attrappe aufgesetzt. Nach Fertigstellung wurden am 16. Dezember 1927 schließlich die letzten vier Etagen genehmigt. Nach einer umfangreichen Sanierung 2009 beherbergt das Krochhochhaus heute das Ägyptologische Institut, das Spracheninstitut der Universität, das Altorientalische Institut sowie das Ägyptische Museum „Georg Steinhoff“ der Universität. Unweit des Krochhochhauses befindet sich eine weitere Glocke. Die sogenannte Demokratieglocke, die aufgrund ihrer Form auch als goldenes Ei der Revolution bezeichnet wird. Die 1,50 Meter große eiförmige Glocke aus Bronze erinnert an die Montagsdemonstration am 9. Oktober 1989, die das Ende der DDR einläutete. Entworfen wurde die Glocke, die am 9. Oktober 2009 zum 20-jährigen Jubiläum der Friedlichen Revolution eingeweiht wurde, von der Berlinerin Via Lewandowsky. Gegossen wurde die Glocke von der Kunstgießerei Lauchhammer. Besonders beeindruckend ist ihr integriertes Schlagwerk, das jeden Montag um 18.35 Uhr zwölfmal schlägt. An allen anderen Tagen schlägt die Glocke nach einem Zufallsprinzip zwischen 8 und 20 Uhr innerhalb jeder vollen Stunde ein Mal zufällig zwischen einem und bis zu zwölf Schlägen. Das Schlagwerk stammt von der Firma Uhrentechnik Schnabel aus Klinga. Die Statik und Konstruktion wurde von dem Ingenieurbüro Rolf Seifert aus Leipzig berechnet. Gebaut wurde die Glocke schließlich von der Firma BMD Tram aus Taucha. Der umlaufende Granitsockel der Demokratieglocke wird von einem Haiku, einem kurzen japanischen Gedicht, des Dresdner Lyrikers Durs Grünbein: „Demokratie ist – in unendlicher Nähe – längst sichtbar als Kunst“, geziert. Die Demokratieglocke und das Krochhochhaus stellen wertvolle Kulturgüter dar, die mich immer wieder aufs Neue begeistern. Euch wünsche ich viel Freude mit meinen Fotos dieser außergewöhnlichen Leipziger Sehenswürdigkeiten. 🙂

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