Straßburgs mysteriöse Tanzwut

Isabella Mueller @isabella_muenchen Straßburg

Straßburg ist eine malerische Stadt im Elsass, die aufgrund ihrer zahlreichen EU-Institutionen auch als Hauptstadt Europas bezeichnet wird. In Straßburgs Altstadt ereignete sich vor über 500 Jahren ein bis heute unerklärliches Phänomen, das als Tanzwut, lateinisch Choreomanie, bezeichnet wurde. Doch anders wie bei der Loveparade, die von 1989 bis 2010 in Deutschland veranstaltet wurde und in der bis zu 1,5 Millionen Menschen ausgelassen zu Technomusic durch die Straßen tanzten, handelte es sich bei der Tanzwut um eine Art zwanghaftes Tanzen. Wir schreiben das Jahr 1518 als am 15. Juli an einem heißen Sommertag laut Geschichtsquellen eine Madame Troffea hysterisch durch Straßburgs verwinkelte Gassen tagelang bis zu ihrem Tod tanzte und das ganz ohne Musik. Ihr folgten bald 34 Menschen, die ununterbrochen tanzten. Weder aßen, tranken, noch schliefen sie. Bis Ende August war eine regelrechte Tanzepidemie mit über 400 Tanzwütigen in Straßburg ausgebrochen, von denen laut Straßburger Chronik pro Tag sich 15 Menschen zu Tode tanzten. Selbst blutig getanzte Füße und Schaum vor ihrem Mund konnte nicht ihren Tanzwahn stoppen. Die Ratsherren von Straßburg versuchten zuerst das Tanzen durch Tanzen, so paradox dies auch klingen mag, zu bekämpfen und stellten Bühnen auf und ließen Musik spielen. Als dies nichts half, verboten sie das Tanzen in ganz Straßburg und leiteten die Tanzwütigen zur St.-Veit-Kapelle bei Saverne im unteren Elsass. Nachdem den Tanzwütigen die Messe gelesen worden war, mussten sie mit Weihwasser besprengte, rote Schuhe anziehen, die ein Kreuz mit Balsam aus Salböl oben und unten hatten, mit denen sie um den Altar mit der Holzfigur des Heiligen Veit tanzen mussten. Dies half laut Straßburger Chronik fast allen. Doch was war der Auslöser dieser tanzenden Massenhysterie? Ärzte im Mittelalter sprachen von einer Überhitzung des Gehirns durch heißes Blut. Andere gingen von einer Nervenerkrankung wie Epilepsie oder Chorea Huntington aus. Aber wie sollten sich aus dem Nichts über Hunderte mit diesen nicht ansteckenden Krankheiten infiziert haben? Viel wahrscheinlicher erschien, dass eine Vergiftung schuld an der Tanzwut war. Besonders zu Zeiten großer Missernten im 14. bis 16. Jahrhundert erkrankten viele an einer Mutterkornvergiftung. Bei dem Mutterkorn handelt es sich um einen giftigen Getreidepilz. Wenn Menschen verschimmeltes Brot verzehrten, erlitten sie schwere Vergiftungen. Diese waren gepaart mit krampfartigen Zuckungen und Halluzinationen. Begründet dadurch, dass im verschimmelten Getreide das LSD-ähnliche Mutterkornalkaloid Ergotamin entsteht, das einen intensiven Rausch auslöst. Die Tanzwütigen befanden sich auf einem Drogen-Trip. Doch diese Theorie widerlegte der Historiker John Waller in seinem Buch „A Time to Dance, a Time to Die. The Extraordinary Story of the Dancing Plague of 1518.“ damit, dass eine Mutterkornvergiftung auch die Durchblutung der Extremitäten wie Arme und Beine stark einschränkt, was tagelanges Tanzen unmöglich machte. Aber genau das taten die Tanzwütigen. Darum nahm Waller an, dass der starke Aberglaube des Rätselslösung sei. So soll der Heilige Veit die Menschen nicht nur von ihrer Tanzwut erlösen, sondern diese auch auslösen können. Er bezeichnete dies als „St. Vitus Curse“. Dieser Fluch wirkte beim einfachen Volk als sich selbst erfüllende Prophezeiung. Anno 2013 stellte der Historiker Gregor Rohmann in seiner Studie „Tanzwut“ eine kulturanthropologische These auf. In dieser werde die Tanzwut nicht durch Hysterie oder Halluzinationen ausgelöst, sondern vielmehr wollten die Menschen das Gefühl der Gottesverlassenheit durch Tanzen loswerden. Was auch immer diese krankhafte Tanzwut letztendlich 1518 in Straßburg auslöste, mag vielleicht nie eindeutig geklärt werden. Fakt ist, dass diese Choreomanie mehreren hunderten Menschen das Leben kostete und so in Straßburgs Stadtchronik einging. Dir wünsche ich viel Freude mit meinen Fotos von Straßburgs pittoresker Altstadt. 🙂

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