Ein aufregendes Drama in den Kreisen der Pariser High-Society ereignete sich zur Zeit des Fin de Siécle. Auslöser dafür war die schillernde Marguerite Steinheil, die ihren Ehemann und ihre Mutter getötet haben sollte, weshalb ihr der Prozess gemacht wurde. Aber der Reihe nach. Marguerite, besser bekannt als Meg, war die wohlhabende Tochter der angesehenen Industriellenfamilie Japy, die eine standesgemäße Erziehung einer höheren Tochter genoss. Da 1889 auf einem Ball der Garnison das Gerücht aufkam, Meg habe eine Affäre mit einem Unteroffizier, schickten sie ihre Eltern mit ihrer älteren Schwester nach Bayonne, wo sie den 20 Jahre älteren Maler Adolphe Steinheil, ein Neffe des Großmeisters der Salonkunst, Ernest Meissonier, kennen und lieben lernte. Bereits am 9. Juli 1890 heirateten sie in Beaucourt. Bald danach erblickte ihre Tochter Marthe das Licht der Welt. Die kleine Familie zog in ein Haus nach Paris im Impasse Ronsin, einer Sackgasse im 15. Arrondissement. Schnell avanciert diese Adresse zu einem beliebten Treffpunkt von bekannten Künstlern und Schriftstellern, die sich dort miteinander austauschten. Meg und ihr Ehemann gehörten der feinen Pariser Gesellschaft an und wurden sogar vom französischen Staatspräsidenten Félix Faure eingeladen, da Adolphe von diesem einen Staatsauftrag erhalten hatte. Als Faure auf Meg traf, war er sofort fasziniert von ihr, was folgte war eine leidenschaftliche Affäre, die weltbekannt wurde, da Meg an dessen Ableben buchstäblich beteiligt war. Der Präsident hatte sich zwischen zwei Sitzungen mit Meg im Blauen Salon des Èlysée-Palastes getroffen. Als diese ihn oral befriedigte, bekam er einen Gehirnschlag, an dem er noch am selben Abend verstarb. Fortan erhielt Meg den Beinamen “la Pompe Funébre”, die Bestattungspuppe. Doch dies war nicht der einzige Grund für ihre Weltberühmtheit. Am 31. Mai 1908, einem Pfingstmontag, wurde ihr Ehemann Adolphe und ihre Mutter Emilie von ihrem Diener Rémy erdrosselt in ihrem Schlafzimmer aufgefunden. Meg lag gefesselt, aber noch lebend im Kinderzimmer. Laut ihrer Aussage hatten drei maskierte Männer und eine rothaarige Frau alle geschlagen und nachdem Versteck ihres Schmuckes gefragt. Da sie Meg für die Tochter hielten, hatte sie Meg verschont. Anders als die Polizei und der Untersuchungsrichter Leydet hegte die Presse Zweifel an Megs Geschichte. Schon lange kriselte es in der Ehe mit Adolphe, dessen Bilder nur mäßig Absatz fanden. Damit Meg ihren luxuriösen Lebensstil aufrecht erhalten konnte, hatte sie sich in dem Pariser Vorort Meudon eine Villa im Schweizer Stil gemietet, in der sie regelmäßig zahlungskräftige Herren empfing, um deren sexuelle Wünsche zu erfüllen. Meg war eine verführerische Frau, der die Männer reihenweise zu Füßen lagen. Es wurde gemunkelt, dass Meg beabsichtigte Monsieur Borderel zu heiraten. Dieser war ein Witwer mit 3 Kindern, der neben einem Schloss auch andere Liegenschaften in den Ardennen besaß. Einziger Makel war, dass dieser keine geschiedene Ehefrau heiraten wollte, da dies in der besseren Gesellschaft verpönt war. War das etwa das Mordmotiv? Wenn ja, warum musste dann auch Megs Mutter sterben? Die Obduktion ergab, dass der Strick von Megs Mutter nur lose befestigt war und diese nicht erdrosselt worden war, sondern an ihrer eigenen Zahnprothese erstickt war, da sie diese verschluckt hatte. Darüber hinaus war die Fesslung von Meg sehr locker gewesen, so dass Sachverständige davon ausgingen, dass diese sich selbst hätte problemlos befreien können. Meg wurde wegen dringendem Tatverdacht am 28. November 1908 verhaftet und nach einem Jahr in Untersuchungshaft angeklagt. Es gab haufenweise belastende Beweise gegen sie. So stammte das Seil, mit dem alle 3 gefesselt waren, aus der Küche des Hauses. Megs Mundknebel wies keinerlei Speichelspuren auf. Es gab keine Anzeichen dafür, dass jemand sich gewaltsam Zutritt zum Haus verschafft hatte. Außerdem befanden sich in jener Nacht weder der Wachhund noch die Tochter Marthe im Haus. Ferner hatte Meg mit beiden vor dem Schlafengehen ordentlich Grog getrunken. Megs Ehemann Adolphe nahm zudem Opium als Schlafmittel, weshalb Meg ihn problemlos hätte ermorden können. Belastend war auch, dass Meg nach der Mordnacht einen Juwelier aufgesucht hatte, der die gestohlenen Schmuckstücke umarbeiten sollte, damit diese niemand erkannte. Während des Strafprozesses verstrickte sich Meg immer wieder in Widersprüche und beschuldigte ihren Diener Rémy, der Täter zu sein. Doch Meg verstand es durch Ohnmachtsanfälle und Weinkrämpfe, sich bei den Geschworenen als armes Opfer darzustellen, das niemals zu solch einer Tat imstande gewesen wäre. Diese Taktik ging tatsächlich auf. Am 14. November 1909 wurde Meg aus Mangel an Beweisen freigesprochen. Jeder wusste, dass Meg eine Mörderin war, weshalb die feine Pariser Gesellschaft sie nun aus ihren Kreisen verbannte. Auch ihre Tochter Marthe brach jeden Kontakt zu ihrer Mutter ab. Aber Meg hatte Glück, ein junger englischer Anwalt hatte ihren Prozess verfolgt und sich unsterblich in sie verliebt. Als Meg erfuhr, dass dieser vermögend war und noch dazu einen Barontitel erben würde, zog sie mit ihm nach England, wo sie am 26. Juni 1917 die Frau von Robert Brook Campbell Scarlett, 6th Baron Abinger wurde. Meg wurde nun die Lady Brook-Abinger, die 1954 im Alter von 86 Jahren in einem Altersheim in Hove verstarb. So endete das Leben der einstigen Geliebten des französischen Präsidenten und der vermutlichen Mörderin Meg, die offiziell von den Geschworenen für nicht schuldig gesprochen wurde. Dir wünsche ich viel Freude mit meinen Fotos der Hafenstadt Southampton in England, in dessen Land Meg nach ihrem Prozess sich niedergelassen und bis zu ihrem Lebensende dort gelebt hatte. 🙂


























