Auf in die Irrenanstalt im Narrenturm in Wien

Isabella Mueller

Heute wollte ich die pathologische-anatomische Sammlung im Narrenturm im 9. Wiener Gemeindebezirk auf dem heutigen Uni-Campus besichtigen. Der Narrenturm verdankt seinen Namen seiner Form und ehemaligen Funktion. Er wurde als Rundbau 1784 unter dem aufgeklärten Monarchen Kaiser Josef II. errichtet, der diesen Bau aus eigenen Mitteln finanzierte. Der Narrenturm war die erste Anstalt Europas für Geisteskranke und bis 1866 in dieser Verwendung. Ich war sehr gespannt, was mich im Narrenturm erwarten würde. Denn bisher kannte ich Irrenanstalten nur aus Horrorfilmen. Ich fragte mich beim Betreten des Museums, ob es darin spuken und ich den Geist, der damaligen Patienten spüren würde. Der Narrenturm, vielmehr sein Rundbau, weist übrigens eine alchemistische Zahlenmystik auf. So besteht der Rundbau aus fünf Stockwerken, die jeweils 28 Zimmer haben. Er hat hat einen Umfang von 66 Wiener Klaftern, das ist ein historisches Längen-, Flächen- und Raummass, und auf dem Dach befand sich ein Oktogon, eine achteckige Holzkonstruktion. Zur Erklärung in der arabischen Tradition ist 66 die Zahl Gottes, während in der Kabbala 28 die Bedeutung „Gott, der du die Kranken heilst“ trägt und außerdem die Zahl des Mondsmonats ist. Im Narrenturm hat alles seine Bedeutung und so machte ich mich auf dieses historische Gebäude zu erkunden. Ich kaufte mir ein Ticket für 2 Euro und konnte so selbständig durch das Erdgeschoss des Turms laufen. Das Museum ist immer mittwochs von 10 bis 18 Uhr und samstags von 10 bis 13 Uhr geöffnet. Immer zur vollen Stunde werden Führungen durch die weiteren Geschosse angeboten. Übrigens wird der Narrenturm zurzeit bei laufendem Museumsbetrieb saniert. Ich machte mich auf zum Rundgang im größten und ältesten pathologischen Museum der Welt. Hier gibt es 50.000 Objekte, die in Spiritus eingelegte Leichen oder Leichenteile und wächserne Nachbildungen erkrankter Körperteile zeigen. Das Museum ist nichts für schwache Nerven. Ich ging in die einzelnen Räume, die ehemalige Zellen waren, in denen die Patienten sich anfangs noch frei bewegen konnten, in den darauffolgenden Jahren aber angekettet wurden. Ich durfte durch Glasvitrinen Pestlungen, Tuberkulose des Fingers oder Pockengesichter bestaunen. Es war ein sehr makaberes Gefühl, das in mir aufkam. Ich ekelte mich schon ein wenig als ich ein Vaginalkarzinom sah, das wie ein Gemälde eingerahmt war. Hierbei handelte es sich um eine Moulage, das ist eine farbige dreidimensionale und lebensgroße Abformungen von Körperteilen zur naturnahen Wiedergabe menschlicher Krankheitsbilder. Ich erfuhr allerhand über Krankheiten wie Syphilis oder Tuberkulose, um nur einige zu erwähnen. Neben Skelettverformungen, gab es vieles zu bestaunen, das auf mich sehr gruselig wirkte, aber in der früheren Zeit zum Alltag gehörte. So bizarr das alles auf mich wirkte, waren diese Modelle doch bei der Ausbildung der Mediziner unerlässlich. Nach meinem Rundgang betrat ich den Innenhof, der fast schon idyllisch auf mich wirkte. Ich nahm einen tiefen Atemzug, bevor ich das skurrile Museum wieder verließ. Es hat auf mich einen bleibenden Eindruck hinterlassen und wer keine Angst vor Krankheiten und dem Tod hat, der ist hier genau richtig. Ein Museum bestimmt nicht für jedermann, aber einen Besuch auf alle Fälle wert und bitte starke Nerven mitbringen. In diesem Sinne viel Spaß mit meinen Fotos vom Narrenturm in Wien.

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