Der unschuldige Mörder, dem keiner glaubte

Isabella Mueller @isabella_muenchen Lindau Bodensee

Fast 18 Jahre unschuldig hinter Gittern und von der Gesellschaft als Mörder der eigenen Tochter und des Enkels geächtet, dieses grausame Schicksal widerfuhr Johann Evangelist Lettenbauer. Erst am 11. August 1965 wurde der damals 83 Jahre alte Mann freigesprochen. Zu diesem Zeitpunkt hatte er bereits 10 Jahre im Zuchthaus, danach dreieinhalb Jahre in einer Heil- und Pflegeanstalt und zuletzt dreieinhalb Jahre im Altenheim verbracht. Aber wie konnte es zu so einem Justizirrtum kommen? Johann Evangelist Lettenbauer lebte zusammen mit seiner Ehefrau, seiner 23 Jahre alten Tochter Maria und deren zweijährigen Sohn Arthur, ein Kind entstanden aus einer Beziehung mit einem französischen Kriegsgefangenen, in einem Bauernhaus in Oberreitnau. Johann Lettenbauer war als Bahnunterhaltungsarbeiter bei der Ludwig-Süd-Bahn tätig. Am Morgen des 16. Juli 1947 hatte er Gras für seine drei Ziegen gemäht. Danach ging er nach Hause, wo seine Tochter normalerweise bereits das Frühstück für alle gemacht hatte. Da dies nicht der Fall war, kam es zum Streit und Lettenbauer verließ erneut das Haus zum Grasmähen. Als dieser kurze Zeit später wieder nach Hause kam, fand er seine Tochter tot auf dem Sofa liegend vor. Sein Enkel Arthur lag auf dem Boden. Er drückte diesen, der noch leicht zu atmen schien, an sich. Lettenbauer, der nun das Blut seines Enkels an seinem Hemd hatte, geriet in Panik. Was wenn er verdächtig würde, Maria und seinen Enkel ermordet zu haben? Darum wusch er zunächst das Hemd und frühstückte erst einmal. Als der Polizist Rietzler bei Lettenbauer eintraf, kam ihm wie auch später dem Gericht das ruhige Verhalten von Lettenbauer verdächtig vor. Zwar hatte das 19 Jahre alte Nachbarmädchen als sie aus Lindau mit dem Bus gekommen war zwei Landstreicher am Lettenbauer-Haus gesehen. Diese wurden jedoch als Wandersleute abgetan. Denn die Tatwaffe eine Axt wies nur die Fingerabdrücke von Johann Lettenbauer, der schließlich durch Zureden der Beamten ein Geständnis ablegte, auf. Später beteuerte er ununterbrochen, dass er unschuldig war. Doch niemand glaubte ihm, weshalb Johann Lettenbauer am 27. November 1947 vom Landgericht Lindau wegen Mordes an seiner Tochter und Totschlags seines Enkels zu 10 Jahren Zuchthaus und nach Verbüßung zur Unterbringung in einer Anstalt und danach im Altersheim verurteilt wurde, da nach Meinung des Sachverständigen bei Lettenbauer mit weiteren Straftaten zu rechnen war. Doch 1965 wendete sich das Blatt und Lettenbauers Unschuld konnte endlich bewiesen werden. Da der 37 Jahre alte Manfred Jung gestanden hatte, dass er am 16. Juli 1947 in Oberreitnau Maria Lettenbauer und ihren zweijährigen Sohn in deren Zuhause erschlagen hatte. Der damals 19 Jahre alte Manfred Jung war zusammen mit seinem gleichaltrigen Freund Wilhelm Schwall auf Wanderschaft als sie am Lettenbauer-Haus ankamen. Sie sahen, dass die Maria Lettenbauer allein zuhause war und fragten diese nach einer Flasche Wasser, damit sie sich draußen waschen konnten. Diese gab ihnen Maria Lettenbauer. Als Manfred Jung diese zurückbrachte, stibitzte er eine Taschenuhr sowie Speck und Brot. Dies bemerkte Maria Lettenbauer, die ihm mit einer Bierflasche in der Hand attackierte. Manfred Jung schlug daraufhin diese mit der Flasche nieder und griff dann zur Axt. Er tötete Maria Lettenbauer und dann ihren zwei Jahre alten Sohn, den einzigen Zeugen. Da Manfred Jung Handschuhe getragen hatte, hinterließ er keine Fingerabdrücke auf der Axt. So waren nur die Fingerabdrücke des Besitzer, Johann Lettenbauer, dort vorhanden. Nach dem Mord setzte Manfred Jung zusammen mit seinem Freund ihre Wanderschaft fort. Dieses Geständnis legte Manfred Jung nur ab, da die Polizei in Eitorf am 23. März 1965 von einem Freund Jungs einen vertraulichen Hinweis bekommen hatte. Dieser Mann hatte der Polizei erzählt, dass er 1948 zusammen mit Manfred Jung und seinem Freund Wilhelm Schwall Einbrüche begangen hatte. Er und Schwall wurden gefasst und verurteilt, während sich Jung in die Fremdenlegion absetzte. Im Gefängnis hatte ihm Schwall dann gestanden, dass Jung 1947 in der Gegend des Bodensees eine junge Frau und deren Kind mit einer Axt erschlagen hatte. Diesen Hinweis hatte der Mann der Polizei Eitorf schon 1950 gegeben, die bei der Kriminalpolizei Lindau danach anfragte und diese die Anfrage an das Kriminalkommissariat Ravensburg weiterleitete. Diese beantwortete die Anfrage damit, dass es kein ungeklärtes Verbrechen der geschilderten Tat gebe, da Johann Lettenbauer bereits verurteilt worden war. Nach diesem Geständnis von Manfred Jung musste Johann Lettenbauer 1965 noch vier Monate auf sein Wiederaufnahmeverfahren warten bis er am 28. März 1965 vom Landgericht Kempten wegen erwiesener Unschuld freigesprochen wurde. Lettenbauer erhielt vom Land Bayern 1965 eine Haftentschädigung von 50.000 DM sowie 1967 vom Land Baden-Württemberg eine Schadenersatzzahlung von 60.000 DM wegen eines Amtsfehlers der baden-württembergischen Kriminalpolizei. Diese hatte die Anfrage der Polizeistation Eitorf vom 9. Januar 1950 amtspflichtwidrig behandelt und dadurch eine Freilassung von Johann Lettenbauer um 15 Jahre verhindert. Manfred Jung, der zur Tatzeit 19 Jahre alt war, musste sich in Kempten vor dem Jugendgericht verantworten und wurde tatsächlich freigesprochen. Die Staatsanwaltschaft legte Revision ein, der stattgegeben wurde und Manfred Jung wanderte für 7 Jahre ins Gefängnis. Dir wünsche ich viel Freude mit meinen Fotos von der Bodenseeperle Lindau, wo einst Johann Evangelist Lettenbauer vor Gericht stand und zu Unrecht verurteilt worden war. 🙂

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