Eine wahre Geschichte, die mich immer wieder in eine Schockstarre versetzt, ist die von Blanche Monnier, die von ihrer eigenen Mutter Louise Monnier in ihrem Haus in der französischen Gemeinde Poitiers 25 Jahre lang auf dem Dachboden mit verbarrikadierten Fenstern, die weder Licht noch Geräusche nach draußen durchdringen ließen, eingesperrt wurde. Wahrscheinlich wäre Blanche Monnier auch dort gestorben, wenn nicht ein anonymer Brief am 19. Mai 1901 beim Generalstaatsanwalt in Paris eingegangen wäre, in dem stand, dass eine alte Jungfer namens Blanche Monnier seit 25 Jahren halb verhungert und in ihrem eigenen Dreck liegend von ihrer Familie gefangen gehalten wird. Bis heute ist der Verfasser des Briefes nicht bekannt, der Blanche Monniers Leidensweg damit beendete. Denn durch das Schreiben suchte am 23. Mai 1901 nachmittags um 14.30 Uhr der Hauptkommissar von Poitiers das Haus von Louise Monnier in der Rue de la Visitiation 21 auf. Als der Kommissar klingelte, machte ein Dienstmädchen auf, die auf den Bruder Marcel verwies, der im Haus gegenüber wohnte, da die Madame Monnier unpässlich sei. Der Inspektor suchte diesen auf und konfrontierte ihn mit dem Schreiben. Doch Blanche Monniers älterer Bruder Marcel, ein renommierter Anwalt, sah dies als Verleumdung an. Doch der Inspektor blieb hartnäckig und schließlich gingen beide zum Haus der Mutter, die nun anwesend war und äußerst widerwillig den Weg dem Kommissar ins Haus freigab. Das Haus machte einen äußerst gepflegten Eindruck. Doch als der Inspektor in den dritten Stock kam, stieg ihm schon von Weitem ein übel riechender Geruch in die Nase. Als er sich der Dachkammer näherte, wurde dieser immer unerträglich. Der Inspektor, der die Zimmerschlüssel von Madame Monnier bekommen hatte, schloss die verschlossene Tür auf und öffnete die Tür. Just in diesem Moment kam ihm ein bestialischer Gestank entgegen, der ihm den Magen umdrehte. Doch als er mit einem Taschentuch seine Nase abdeckend weiter in das 18 Quadratmeter große Zimmer eintrat, erschrak er fürchterlich. Dieses Szenario, was er vorfand, übertraf selbst den schlimmsten Horrorfilm, den er je gesehen hatte. Auf einer verkommenen Strohmatte lag angekettet eine bis aufs Skelett abgemagerte, nackte Frau, deren Haut eine harte Kruste aus ihrem eigenen Kot und Essensresten gebildet hatte, in der Maden wimmelten. Diese Frau war tatsächlich Blanche Monnier, die in einem erbärmlichen Gesundheitszustand war und in einem zugemüllten Zimmer hausen musste, auf dessen verrotteten Holzboden Kakerlaken umher liefen. Kein Tageslicht drang durch das Fenster, das der Inspektor wegen des Kettenschlosses nur mit größter Mühe öffnen konnte. Die inzwischen 50 Jahre alte Blanche Monnier hielt ihre Hände vors Gesicht als der Kommissar das Fenster öffnete, da sie 25 Jahre kein Sonnenlicht mehr gesehen hatte. Blanche Monnier, die nur noch 25 Kilogramm wog, wurde sofort ins Spital Hôtel-Dieu gebracht. Ihre inzwischen 75 Jahre alte Mutter und ihr Bruder Marcel wurden sofort verhaftet. Beide behaupteten Blanche zu ihrer eigenen Sicherheit eingesperrt zu haben, da diese verrückt und gewalttätig geworden war. Sie hatten es geschafft, Blanche Monnier 25 Jahre komplett von der Außenwelt zu isolieren. Um das Verschwinden von Blanche Monnier zu erklären, wurde das Gerücht in die Welt gesetzt, dass Blanche überraschend ins Ausland gezogen sei. Später berichtete die Familie von einem unerwarteten Tod von Blanche, die jedoch eingesperrt auf dem Dachboden dahin vegetierte. Niemand half Blanche Monnier. Dies änderte sich als das Dienstmädchen, das 40 Jahre lang für die angesehene Aristokratenfamilie gearbeitet hatte und jeden Tag gegen 21.30 Uhr das Leintuch wechselte, mit dem Blanche Monniers Kot und Urin eingefangen wurde, in Ruhestand ging. Dieses treue Dienstmädchen, das einfach wegsah, erhielt sogar eine Goldmedaille für treue Dienste von einem katholischen Verein auf Veranlassung von Marcel Monnier. Danach kamen neue Dienstmädchen, die weniger verschwiegen waren und über die versteckte Blanche Monnier berichteten. Doch erst der Brief erlöste Blanche Monnier von ihrem Leiden. Diese wurde am 1. März 1849 in Poitiers geboren und war das Kind der angesehenen adeligen Familie Monnier de Marconnay. Blanche Monnier war eine außergewöhnlich schöne Frau, die viele Verehrer hatte und sich ausgerechnet in den mittellosen Anwalt Victor Cameil verliebt hatte, der älter und zudem auch noch Republikaner war. Natürlich duldeten ihre royalistisch gesinnten Eltern den Umgang mit diesem Mann, der nicht standesgemäß war, nicht. Darum soll Louise Monnier ihre Tochter eingesperrt haben. Blanche Monnier hatte auf die Wand in ihrem Zimmer geschrieben: “Mach Schönheit, nichts Liebe oder Freiheit, immer Einsamkeit. Man muss leben und sterben im Gefängnis sein ganzes Leben lang.” Vielleicht konnte ihre Mutter auch die überdurchschnittliche Schönheit ihrer Tochter einfach nicht ertragen. Fakt ist, dass keiner weder ihr älter Bruder Marcel, der sie trotz bestialischem Gestank besuchte und sich an diesem ergötzte, noch ihr mittlerweile verstorbener Vater, noch Hausangestellte, Blanche Monnier halfen, die nur überlebt hatte, da sie sich in eine Fantasiewelt geflüchtet hatte. In dieser war ihr Zimmer ein schöner Ort, den sie Hinter-Malampia nannte. Blanche Monnier, der keine bei ihrer Befreiung eine Überlebenschance prognostiziert hatte und der Kaplan de Mouton ihr bei der Einlieferung ins Krankenhaus das Sterbesakrament ausgesprochen hatte., überlebte jedoch wie durch ein Wunder. Blanche Monnier kam tatsächlich zu Kräften und erfreute sich besonders am Anblick des Blumenstraußes, der ihr jeden Tag in ihr Zimmer gestellt wurde und an dem sie so gerne roch. Ihre Mutter starb 15 Tage nach ihrer Verhaftung am 7. Juni 1901 an einem Herzinfarkt. Bei ihrer Beerdigung kam es zu bösen Beleidigungen gegen die grausame Mutter, der ihr älterer Bruder Marcel alle schuld gab. Diese war eine Tyrannin gegen die er sich nicht auflehnen konnte. Nach sechs Prozesstagen und einer Befragung von 102 Zeugen wurde er im Oktober 1901 zu 15 Monaten Haft wegen Freiheitsberaubung und Folter verurteilt. Er legte jedoch Berufung ein und wurde am 20. November 1901 tatsächlich frei gesprochen, denn unterlassene Hilfestellung gab es in Frankreich erst ab 1941. Blanche Monnier hatte aufgrund ihrer 25 Jahre Dunkelhaft im Haus ihrer eigenen Mutter große psychische und physische Probleme, weshalb sie in einer psychiatrischen Klinik in Blois untergebracht wurde, wo sie am 13. Oktober 1913 im Alter von 64 Jahren verstarb, nur wenige Monate danach segnete auch ihr ältere Bruder Marcel das Zeitliche. Bis heute berührt das Schicksal von Blanche Monnier Menschen auf der ganzen Welt und wie so oft trifft auch hier zu: “Nicht die Welt ist grausam. Sondern die Menschen, die auf ihr Leben.” In diesem Sinne viel Freude mit meinen Fotos der französischen Stadt Le Havre, die als Poesie in Beton gilt. 🙂













