Das ominöse Verschwinden des Pariser Gerichtsdiener Gouffé

Isabella Müller Le Havre Frankreich @isabella_muenchen

Einer der spektakulärsten Fälle der französischen Kriminalgeschichte war der Fall Gouffé. Toussaint-Agustin Gouffé war ein 49 Jahre alter, verwitweter Gerichtsdiener, der zwei Töchter hatte und in Paris lebte. Dieser respektable Mann wurde am 26. Juli 1889 bei der Polizei als vermisst gemeldet. Einige Monate später sollte im 480 Kilometer von Paris entfernten kleinen Dorf Millery, einem Vorort von Lyon, der Straßenmeister Dennis Coffy einen bestialisch stinkenden Stoffbeutel, der in einer Nebenstraße lag, entsorgen. Als dieser den Beutel am 13. August 1889 öffnete, fiel er fast in Ohnmacht, so schrecklich war der Geruch und der Anblick einer verwesenden, männlichen nackten Leiche, an der schon die Maden nagten. Bei der Obduktion des Gerichtsmediziner Paul Bernard am 14. August stellte dieser fest, dass der Mann mit sieben Seilen gefesselt und der Kopf in ein schwarzes Wachstuch gewickelt war. Der Mann musste vor 3 bis 5 Wochen erwürgt worden sein. Zwei Tage nachdem die männliche Leiche gefunden worden war, wurde unweit des Fundorts eine große Holzkiste entdeckt, die genauso furchtbar roch und in der die Leiche wohl transportiert worden war. Auf dieser befand sich ein Etikett, das bewies, dass der Koffer vom 27. Juli 1889 mit dem Zug von Paris nach Lyon gelangt war und im ihm der Tote transportiert worden war. Doch wer war der Tote? Um die Identität des Toten zu klären, wurde der Leichnam am 13. November 1889 in einer einwöchigen Prozedur des Arztes Alexandre Lacassagne untersucht. Durch eine Haarprobe sowie einer alten Rückenverletzung wurde dieser als der vermisste Gerichtsdiener Toussaint-Augustin Gouffé identifiziert. Mit den Ermittlungen wurde die erfahrene Kommissarin Marie-François Goron betraut. Schnell führten ihre Ermittlungen zu einem Paar. Dieses bestand aus dem bekannten Betrüger Michel Eyraud, ein Mann Mitte 50, der als gewalttätiger Armeedeserteur und Abenteurer in Amerika galt und der erst 21 Jahre alten Gabrielle Bompard, die ihr Vater hatte in die Anstalt einweisen lassen, da sie als äußerst trotzig galt, die zwar ins Zeitalter des Frauenbildes der Belle Époque, aber nicht in das ihres Vaters passte. Denn zur Zeit des Belle Èpoque wurde der neue Frauentyp der Femme fatale, dem männerverschlingenden Vamp oder Madonna mit Engelsgesicht, populär. Zu Letzt genannten gehörte Gabrielle Bompard. Dieses ungleiche Pärchen hatte am 27. Juli kurz nachdem der Gerichtsdiener Gouffé als vermisst gemeldet worden war, überstürzt Paris verlassen. Die Ermittlungen ergaben, dass das Paar eine Holzkiste von einem Londoner Schreiner gekauft hatte, der die gefundene Kiste, in der Gouffé transportiert worden war, eindeutig als an die verkaufte des Paares erkannte. Es stellte sich heraus, dass Eyraud in Geldschwierigkeiten steckte. Ein Mann musste gefunden werden, den sie berauben konnten. Der Gerichtsdiener schien das ideale Opfer, da er vermögend war und sofort auf die Reize der jungen Gabrielle Bompard angesprungen war. Das Paar lockte Gouffé in ihre Wohnung in der Tronson-du-Coudray-Straße im 8. Arrondissement. Als Gouffé in der Wohnung war, bat Gabrielle Bompard den Gerichtsdiener es sich auf dem Sofa gemütlich zu machen. Als dieser bequem saß, wickelte sie ihre Kordel von ihrem Morgenmantel um seinen Hals. Ihr Komplize Eyraud hatte sich hinter einem Vorhang, der sich hinter dem Sofa befand, versteckt. Zuvor hatte er aus einem Deckenbalken, einem Haken und einem Seil einen Galgen gebaut. Eyraud sollte die Kordel mit dem Haken verbinden, um Gouffé zu erhängen. Doch Gouffé bemerkte den teuflischen Plan und wehrte sich heftig, so dass Eyraud aus seinem Versteck kommen musste und ihn mit bloßen Händen erwürgte. Als sie Gouffé durchsuchten hatte dieser kein Geld bei sich, der Mord war also umsonst gewesen. Mit Gouffés Schlüssel suchte Eyraud daraufhin Geld in seinem Büro, konnte jedoch keines finden. Trotzdem musste die Leiche verschwinden. Sie kauften die Kiste und steckten Gouffés Leiche in einen Stoffbeutel, den sie in die Kiste legten. Dann sendeten sie den Koffer von Paris nach Lyon, wo sie ihn am Bahnhof abholten und sich ein Cabrio mieteten, mit dem sie den Koffer transportierten. Als der Verwesungsgeruch immer schlimmer wurde, entsorgten sie den Stoffbeutel mit der Leiche in einer Flussböschung und versteckten anschließend die Kiste in einem Baumstamm. Danach flohen sie nach Amerika, mussten aber aus Geldnot im Januar 1890 wieder nach Frankreich zurückkehren, wo sie feststellten, dass sie weltweit als Verbrecher gesucht wurden. Wenig später, am 22. Januar 1890 wurde Gabrielle Bompard verhaftet, die beim Verhör alles gestand. Eyraud konnte erst im Juni 1890 in Havanna festgenommen werden. Er hatte versucht ein gestohlenes türkisches Gewand an eine Schneiderin zu verkaufen, die vom Diebstahl aus der Zeitung erfahren und die Polizei alarmiert hatte. Durch die monatelange Flucht war das Medieninteresse am Fall Gouffé geweckt worden. Im Dezember 1890 kam es in Paris zum Prozess. Dabei stand vor allem Gabrielle Bompard im Mittelpunkt, die vom Staranwalt Félix Decori verteidigt wurde. Dieser behauptete, dass seine Mandantin mittels Hypnose von Michel Eyraud zur Mittäterschaft gezwungen worden war. Dies war natürlich eine Sensation und die die Frage aufwarf, ob dies überhaupt möglich war. Diese Frage löste noch mehr Presserummel um die knapp 1,50 Meter kleine Gabrielle mit ihrem puppenhaften Gesicht aus. Diese wurde in der Öffentlichkeit, da sie den Mord in einer Leichtigkeit erzählte, die ihres gleichen suchte, nur “petit démon”, kleiner Dämon, genannt. Aufgrund ihres Geständnisses wurde sie zu 20 Jahren Haft, die sie im Frauengefängnis von Nanterre und im Kerker von Clermont in Oise verbrachte, verurteilt. Anno 1900 wurde sie vorzeitig wegen guter Führung aus der Haft entlassen. Michel Eyraud wurde zum Tode verurteilt. Das Urteil wurde im Januar 1891 vollstreckt. Damit endete einer der spektakulärsten Kriminalfälle Frankreichs, der immer noch für Film- und Lesestoff sorgt. Dir wünsche ich viel Freude mit meinen Fotos von Le Havre, der Hafenstadt, die gern als Ausgangspunkt für einen Abstecher nach Paris genommen wird, der Stadt, in der Toussaint-Augustin Gouffé ermordet wurde und seine Mörder dafür dort vor Gericht ihre gerechte Strafe erhielten. 🙂

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