Das Attentat

Isabella Müller Wien @isabella_muenchen

Ein tödliches Attentat auf einen weltberühmten Universitätsprofessor erschütterte 1936 die Donaumetropole Wien. Das Opfer war der Prof. Moritz Schlick, der als erster Philosoph die Bedeutung der Relativitätstheorie verstanden hatte und der Leiter des Wiener Kreises war. Dies war eine Gruppe von Intellektuellen, die sich von 1924 bis zu Schlicks Tod 1936 regelmäßig in Wien zum Austausch trafen. Die Gruppe orientierte sich radikal an den Naturwissenschaften, was zu seiner Zeit revolutionär war. Prof. Schlick war am 22. Juni 1936, einem warmen Frühsommertag, auf dem Weg zu seiner letzten Vorlesung im Sommersemester, als er gegen 8 Uhr morgens auf der Philosophenstiege im Hauptgebäude der Universität von einem drahtigen Mann beim Überholen mit vier Revolverschüssen niedergestreckt wurde. Drei davon waren tödlich. Nachdem Mord wartete der Mörder seelenruhig in der Universität auf seine Festnahme. Prof. Schlicks Mörder war der 33 Jahre alte, arbeitslose Privatgelehrte Dr. Johann Nelböck, ein ehemaliger Student von Prof. Schlick, der diesen seit Jahren stalkte. Dr. Johann Nelböck stammte aus einfachen Verhältnissen. Er wurde am 12. Mai 1903 in Brandel als Sohn eines Bauern geboren, der nach dem Besuch des Gymnasiums in Wels Philosophie an der Universität in Wien bei Prof. Schlick studierte und am 21. März 1931 mit der Dissertation “Die Bedeutung der Logik im Empirismus und Positivismus” zum Doktor der Philosophie promovierte. Dr. Nelböck hatte sich in die Studentin Silvia Borowitzka verliebt, die auch bei Prof. Schlick mit der Dissertation “Über das Angenehme und Schöne” promoviert hatte. Kurz nach dem Nelböck seinen Doktortitel erhalten hatte, beschuldigte er seinen Professor eine Affäre mit Silvia Borowitzka zu haben. Er war besessen davon. Dies lag auch daran, dass Dr. Nelböck an schizoider Psychopathie litt, was keiner wusste. Darum lauerte er Prof. Schlick immer wieder vor dem Hörsaal auf und bedrohte ihn sogar mit einer Pistole. Prof. Schlick erstattete daraufhin Anzeige gegen Dr. Nelböck, der deswegen in die psychiatrische Anstalt eingewiesen wurde. Nach einigen Monaten wurde er wieder aus der Anstalt entlassen. Er begann erneut Drohungen gegen Prof. Schlick auszusprechen, der erneut Anzeige erstattete. Dr. Nelböck kam abermals in eine psychiatrische Anstalt. Nach dessen Entlassung, beantragte Prof. Schlick Personenschutz. Das Rektorat musste die Sachlage dem Stadtschulrat mitteilen, weshalb Dr. Nelböck keine Anstellung als Lehrer an einer Schule bekam. Dr. Nelböck sah sich von Prof. Schlick gemobbt, der ihm die Arbeitsmöglichkeit und somit seine Existenzgrundlage genommen hatte. Fortan schlug sich Dr. Nelböck mehr schlecht als recht als Privatlehrer durchs Leben. Das Fass zum Überlaufen brachte, als ihm selbst die Abhaltung von Kursen im Volksheim Ottakring untersagt wurde. Sein ganzer Hass galt Prof. Schlick, der seiner Meinung nach sein Leben ruiniert hatte. Deshalb schoss er am 22. Juni 1936 auf Prof. Schlick und rief dabei: “Da hast Du es, Hund verfluchter!”. Für den Mord an seinem ehemaligen Prof. Moritz Schlick wurde Nelböck am 26. Mai 1937 zu 10 Jahren Kerker verurteilt. Bei der Verhandlung hatte er keinerlei Reue gezeigt und ausgesagt, dass der Mord an Prof. Schlick aus ideologischen Gründen passiert war. Bereits am 11. Oktober 1938 wurde er auf Bewährung entlassen. Als die Bewährungsfrist 1947 endete war er technischer Angestellter im Hauptvermessungsamt. Nach 1945 war er in der Mineralölverwaltung der Sowjetischen Besatzungszone tätig und galt laut Leumundszeugnis als unbescholten. Am 3. Februar 1954 verstarb Johann Nelböck in Wien, dessen Mord an Prof. Moritz Schlick bis heute als Angriff auf das freie Denken gilt. Dir wünsche ich viel Freude mit meinen Fotos von Wien, wo einst Mörder und Opfer gelebt hatten. 🙂

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