In dubio pro reo – Münchens größter Justizskandal

Isabella Mueller @isabella_muenchen

In dubio pro reo, im Zweifel für den Angeklagten, dieser Grundsatz galt leider nicht in einem der wohl Aufsehen erregendsten Mordprozesse Münchens. Am 19. April wurde der Münchner Gynäkologe Dr. Otto Praun und seine Haushälterin Elfriede Kloo, mit der er in wilder Ehe lebte, tot in seiner noblen Villa in Pöcking am Starnberger See aufgefunden. Die Polizei ging zunächst von einem erweiterten Selbstmord aus. Da Otto Praun mit seiner Pistole an der Schläfe gefunden wurde. Die Polizei ging davon aus, dass er zuerst seine Haushälterin und Geliebte im Keller und dann sich selbst erschossen hatte. Diese Selbstmordthese zweifelte jedoch sein Sohn, Günther Praun, an. Er stellte Strafanzeige wegen Mordes in zwei Fällen und beantragte die Exhumierung der Leiche seines Vaters. Bei der Autopsie im Gerichtsmedizinischen Institut in München wurde festgestellt, dass der Schädel von Otto Praun zwei Schussverletzungen aufwies, Damit war ausschlossen, dass Otto Praun sich selbst erschossen hatte. Doch warum wurde die zweite Schussverletzung übersehen, vielleicht aus Absicht? Der 66 Jahre alte Dr. Otto Praun war als Gynäkologe tätig, besaß neben seiner Villa am Starnberger See, auch zwei Mietshäuser in München und ein 8,3 Hektar großes Grundstück mit Finca in Lloret de Mar. Ein beachtliches Vermögen für einen Gynäkologen, um den immer wieder Gerüchte die Runde machten, dass er Geheimdienstkontakte unterhielt und Waffenhandel betrieb. Es ging dabei um den westdeutschen Waffenhandel nach Israel und die arabischen Staaten, was natürlich ein lukrativer Waffenhandel war, der viel Geld einbrachte. Nach dem Autopsie-Ergebnis, das eindeutig bewies, dass Otto Praun und seine Haushälterin ermordet worden waren, musste ein Mörder gefunden werden. Schnell geriet Otto Prauns 16 Jahre jüngere Geliebte Vera Brühne ins Visier der Polizeiermittlungen und als ihre Tochter Sylvia Cosiolkofsky ihre Mutter beschuldigte, dass diese zusammen mit ihrem Jugendfreund, dem verwitweten Büchsenmacher, Johann Ferbach nach Pöcking gefahren waren, damit dieser beide töte, um mit ihrer Mutter in der Finca in Lloret de Mar zu leben, waren die angeblichen Mörder gefunden und auch das Tatmotiv war klar. Otto Praun hatte zwar das Grundstück und die Immobilie seinem Sohn vermacht, doch er hatte seiner Geliebten ein lebenslanges Nutzungsrecht eintragen lassen. Damit war das Mordmotiv gefunden und Vera Brühne, eine attraktive Frau, wurde zur habgierigen Mörderin gemacht, die ihren Geliebten zum Mord angestiftet hatte. Als Todeszeitpunkt wurde der 14. April 1960 bestimmt und die Tatzeit wurde auf 19.45 Uhr taxiert. Die Yellow Press stürzte sich geradezu auf Vera Brühne, die als männermordender Vamp hingestellt wurde. Vera Brühne besaß eine Eigentumswohnung in München-Schwabing und bot sich gut betuchten Herren als Begleiterin an. So lernte sie auch Otto Praun kennen, der ihr einen gebrauchten VW-Käfer überließ und sie fortan regelmäßig Montags- und Donnerstagabends traf, angeblich um ihn zu chauffieren. Sie und ihr Jugendfreund stellten den perfekten Sündenbock dar, obwohl beide stets ihre Unschuld beteuerten. Wegen falscher Alibis, ihrer ständigen Widersprüche, einem Brief, der am Tatort gefunden wurde und mit der Schreibmaschine geschrieben wurde, die Vera Brühnes Untermieter besaß sowie den belastenden Aussagen der Tochter, wurde Vera Brühne und Johann Ferbach wegen zweifachen Mordes angeklagt. Der Prozess erregte soviel Aufsehen, dass sogar der Verkehr vor dem Justizpalast am Stachus zum Erliegen kam. Ihre Tochter widerrief zwar ihre belastende Aussage am dreizehnten Verhandlungstag, doch ein Mithäftling von Johann Ferbach behauptete, dass dieser ihm an Weihnachten den zweifachen Mord gestanden habe. Beide Angeklagten beteuerten immer wieder ihre Unschuld. Trotz erheblicher Zweifel, nicht eindeutiger Indizien sowie umstrittener Gutachten wurden am 4. Juni 1962 Vera Brühne und Johann Ferbach wegen Doppelmordes zu lebenslanger Haft verurteilt. Selbst bei der Urteilsverkündung flüsterte Vera Brühne, dass sie unschuldig sei. Es war wohl zum größten Justizskandal Deutschlands gekommen. Am 21. Juni 1970 starb Johann Ferbach in der Straubinger Justizanstalt an Herzversagen. Nach 18 Jahren hinter Gittern wurde Vera Brühne am 21. Juni 1979 von dem bayerischen Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß begnadigt. Nach ihrer Entlassung lebte sie als Maria Adam in ihrer alten Wohnung in München bis sie am 17. April 2001 nach einem Sturz in einem Münchner Krankenhaus starb. Bis heute halten sich hartnäckige Zweifel an der Täterschaft von Vera Brühne und Johann Ferbach. Nachdem aufgeflogen war, dass es kein erweiterter Selbstmord war, brauchte man einen Sündenbock und der war leider schnell in der für die damalige Zeit als sittenlos geltenden Vera Brühne, die offen ihre Sexualität lebte und keinen Hehl daraus machte, gefunden. Die Wahrheit wird wohl wie so oft nicht mehr ans Licht kommen. Dir wünsche ich viel Freude mit meinen Fotos vom berühmten Stachus mit seinem neobarocken Justizpalast. 🙂

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