Eine oder vielleicht sogar die beliebteste Methode von Frauen jemanden zu töten, ist durch Gift. Der Giftmord gilt als besonders raffiniert, weshalb Frauen seit jeher damit in Verbindung gebracht werden. Bereits in der griechischen Mythologie gab es die todbringende Giftmörderin Medea. Diese wurde in der italienischen Renaissance von Giulia Tofana mit ihrem perfekten Giftelixier abgelöst. In den Goldenen Zwanziger Jahre erlangte ebenfalls eine Frau durch einen Giftmord Berühmtheit. Diese war Lepoldine Lichtenstein. Ihre perfekte Mordwaffe wurde eine Paste zur Ratten- und Mäusevertilgung der Bayer AG. Diese hieß Zelio und rief Symptome hervor die anderen Krankheitsbildern zum Verwechseln ähnelten. Mit dieser Paste vergiftete Leopoldine Lichtenstein ihren 29 Jahre alten Ehemann, den Metalldruckergehilfen Hermann Lichtenstein aus dem 16. Wiener Gemeindebezirk Ottakring im Jahre 1925. Der kräftige Mann klagte seit der letzten Juniwoche bei seiner Ehefrau Leopoldine über Magenschmerzen. Schon wenn er den kleinsten Bissen zu sich nahm, musste er sich übergeben. Zunächst dachte Hermann Lichtenstein an eine Magenverstimmung, die bald wieder weggehen würde. Doch am 11. Juli hatte er plötzlich so starke Schmerzen in seinen Beinen, dass er nicht mehr gehen konnte. Sein Arzt ließ ihn wegen Gelenkrheumatismus in das Wilhelminenspital einweisen. Dort verbesserte sich sein Gesundheitszustand trotzdem nicht. Selbst die Haare fielen ihm nun büschelweise aus. Die Ärzte vermuteten bald, dass es sich um eine chronische Vergiftung mit Arsen handeln könnte und verständigten die Polizei, da sie die Ehefrau verdächtigten ihren Ehemann vergiftet zu haben. Doch Hermann Lichtenstein versicherte der Polizei, dass seine Ehefrau Leopoldine ihn nie vergiften würde. Leopoldine Lichtenstein selbst bestätigte gegenüber der Polizei, dass sie vollständig unschuldig sei. Im Laufe des Sommer verbesserte sich Hermann Lichtensteins Gesundheitszustand wieder, so dass er am 1. September aus dem Krankenhaus entlassen werden konnte. Doch nur eine Woche danach wurde Hermann Lichtenstein wieder ins Wilhelminenspital wegen seiner üblichen Beschwerden sowie einer plötzlichen Entzündung der Gesichtshaut eingeliefert. Doch diesmal konnte ihm nicht mehr geholfen werden, er verstarb am 27. September. Die Obduktion führte der Gerichtsmediziner und Leiter des Wiener Instituts Prof. Albin Haberda durch. Dieser stellte fest, dass der stark abgemagerte Hermann Lichtenstein an einem Hirnödem bei fettiger Entartung des Herzfleisches und der Nieren gestorben war, vermutlich verursacht durch eine langsam verlaufende Metallvergiftung. Eine chemische Untersuchung der aufbewahrten Leichenteile erfolgte. Dabei wurde auf Arsen, Blei und Barium getestet. In einem Stück Nackenhaut konnte eine geringe Arsenkonzentration nachgewiesen werden. Auch in den Knochen fanden sich große Mengen des giftigen Halbmetalls. Doch aus der Leber, den Nieren, dem Dünndarm und dem Herzen konnten nur Spuren einer Substanz abgeschieden werden, die zwar einzelne Reaktionen des Arsens darstellte, sich aber nicht als Arsen bestimmen ließ. Anhand dieses Resultats konnte Prof. Haberda eine wiederholte Dosierung von kleineren Arsenmengen nicht ausschließen. Die Wohnung der Witwe Lichtenstein in der Rankengasse 29 wurde daraufhin von der Polizei durchsucht, die aber nur Arzneimittel fanden, die nicht der Krankheitsverursacher von Hermann Lichtenstein waren. Merkwürdig war zudem, dass Hermann Lichtenstein auch wenn er im Spital gespeist hatte, sich sofort nach dem ersten Happen erbrechen musste. Dies sprach gegen eine chronische Vergiftung. Doch die Polizei war sich sicher, dass Leopoldine Lichtenstein ihren Ehemann vergiftet hatte, doch mit was ? Um diese Frage zu klären, verhörte die Polizei diese 1 Jahr nach dem Tod ihres Ehemannes in ihrer Wohnung, in der bereits ihr neuer Liebhaber wohnte, erneut. Daraufhin wurde diese am 8. November 1926 in Polizeihaft genommen. Nach und nach gestand Leopoldine Lichtenstein ihren Ehemann mit der Substanz Zelio, ein bewährtes Mittel gegen Ratten, das es in der Drogerie zu kaufen gab, vergiftet zu haben. Das erste Mal am 24. Juni 1925, als sie ihrem Ehemann in die Tomatensoße eine halbe Tube Zelio mischte. Dadurch fiel die blaugrüne Färbung nicht auf und da die Paste geruchs- und geschmacklos war, merkte ihre Ehemann nichts vom Gift. Da sich ihr Ehemann jedoch sofort erbrochen hatte, reduzierte sie fortan die Dosis des Gifts. Kaffeelöffelweise mischte sie das Gift in seine Speisen und Getränke. Bis zum 11. Juli seiner Krankenhauseinweisung hatte sie ihm drei Tuben Zelio verabreicht. Dieses Geständnis galt als bahnbrechend, denn es ermöglichte den Gerichtsmedizinern nun gezielt nach dem Wirkstoff Thallium zu suchen. Denn die Zelio-Paste enthielt als Wirkstoff 2,5 Prozent Thallium in schwefelsaurer Verbindung. Mit diesem Wissen untersuchten die Professoren Jansch und Zaribnitzky die aufbewahrten Reste der Leichenteile nach diesem toxischen Schwermetall. Tatsächlich gelang es ihnen aus 3095 Gramm Untersuchungsmaterial 17,3 Milligramm Thalliumsulfat abzuscheiden. Doch wie hatte Leopoldine Hermann ihren Ehemann während seines Krankenhausaufenthaltes vergiftet? Die Ermittler gingen davon aus, dass die von ihr mitgebrachten Getränke mit dem Rattengift versehen waren. Die Polizei nahm an, dass Leopoldine Hermann ihren Ehemann nach seiner Entlassung aus dem Spital erneut mit Zelio vergiftet hatte. Doch dies bestritt Leopoldine Lichtenstein energisch. Mit den damaligen Methoden konnte selbst nicht der renommierte Prof. Haberda diese Aussage widerlegen, da sich Thallium im menschlichen Körper nur äußerst langsam ausgeschieden wird und so die drei Tuben, die Leopoldine ihrem Ehemann von Ende Juni bis Anfang Juli verabreicht hatte, ausgereicht haben könnten, um ihren Mann zu töten. Im Frühjahr 1927 wurde Leopoldine Lichtenstein wegen Giftmordes angeklagt. Doch die Staatsanwaltschaft verwies aufgrund des Geständnisses und der Tatsache, dass Hermann Lichtenstein seine Ehefrau oft brutal misshandelt, sexuell übermäßig in Anspruch genommen und ihr kein Haushaltsgeld gegeben hatte sowie sie zur Prostitution zwingen wollte, auf mildernde Umstände hin. Leopoldine Lichtenstein, die am 27. März ihr Geständnis abschwächte und nun behauptete ihren Ehemann nur am 24. Juni 1925 eine Speise, in die sie die Zelio-Paste gemischt hatte, verabreicht zu haben, wurde von den Geschworenen wegen Totschlages zu 8 Jahren schweren Kerker verurteilt. Dieser aufsehenerregende Fall löste weltweit einen wahren Zelio-Paste-Hype aus, der etwa ein halbes Jahrhundert anhielt bis das Rattengift in den 1970er Jahren vom Markt genommen wurde. Damit endete auch die Ära von Zelio als Werkzeug des bequemen Giftmordes. Dir wünsche ich viel Freude mit meinen Fotos von Manners Werksverkauf in der Wilhelminenstraße 6 im 17. Wiener Gemeindebezirk Hernals, der an den 16. Wiener Gemeindebezirk Ottakring angrenzt, in dem einst Hermann Lichtenstein mit seiner Ehefrau Leopoldine gelebt hatte. 🙂



















