Das weithin sichtbare Wahrzeichen und zugleich eine der größten sowie bekanntesten Kirchen der Niederlande ist die Nieuwe Kerk auf dem pulsierenden Marktplatz der Keramikstadt Delft in der Provinz Südholland. Die Kirche aus Backsteingotik gegenüber vom Rathaus ist als die Grabkirche der niederländischen Königsfamilie weltweit bekannt. Ihr markanter 108,75 Meter hoher Westturm ist der zweithöchste des Landes, der seit 1660 36 Glocken besitzt. Die Glocken erklingen alle Viertelstunde, halbe Stunde und ganze Stunde mit einem anderen Klang. Mehrere Glockenspieler bespielen zudem regelmäßig das Carillon, das von Francois Hemony aus den Resten des Glockenspiels vom Rathaus geschaffen wurde. Mit dem Bau der Kirche wurde 1381 begonnen, die 1382 eingeweiht wurde. Der Überlieferung nach ging der Bau der Kirche auf folgende Vision zurück. Als der Bettler Simon wieder einmal von Jan Col, einem Lehrling eines Delfter Pelzhändlers, Essen gebracht bekam, zeigte der knieende Simon zum Himmel. Dort erschien die Jungfrau Maria inmitten einer goldenen Kirche. Kurz darauf verstarb der Bettler. Doch seitdem hatte Jan Col 30 Jahre lang immer am selben Tag im Januar diese Erscheinung. Mithilfe von 2 Beginen erreichte er, dass dort, wo sonst Menschen hingerichtet, eine Kirche gebaut wurde. Tatsächlich soll ein Dokument diese Vision von Jan Col bestätigen. Doch mittlerweile wurde diese Fata Morgan entmystifiziert, die von freigesetztem Methangas herrühren soll, was zu Halluzinationen führte. Der erste Bau der Kirche war aus Holz, der durch eine steinerne Basilika ersetzt wurde, die der Heiligen Maria geweiht ist. Da diese die zweite Pfarrkirche neben der “Oude Kerk” war, erhielt diese den Namen “Nieuwe Kerk”, die anlässlich der Reformation 1572 an die Niederländisch-Reformierte Kirche überging. Am 6. September 1496 genau nach 100 Jahren Bauzeit war die Kirche mit der Fertigstellung des Westturms vollendet, die der Schutzpatronin St. Ursula geweiht ist. Die Heilige Ursula von Köln war einer Legende zufolge die Tochter des christlichen Königs Dionotus. Ihr Vater vermählte sie mit dem heidnischen Aetherius. Doch Ursula flüchtete zusammen mit 11.000 Gefährtinnen nach Rom, um ihre Jungfräulichkeit zu bewahren. Unterwegs wurden sie von den Hunnen überfallen. Ursula sollte ihren Anführer heiraten. Sie weigerte sich erneut. Daraufhin wurde sie mit ihren 11.000 Gefährtinnen von Pfeilen durchbohrt. Später wurde Ursula heilig gesprochen, die zur Schutzpatronin der Schulkinder und Lehrerinnen wurde. In den Kirchenturm schlug am 3. Mai 1536 ein Blitz ein, der einen großen Stadtbrand auslöste, bei dem die Kirche und die Stadt schwer beschädigt wurde. Bei den Aufräumarbeiten fand man unter der herabgefallenen Kirchenglocke, die vermisste Jacopmijne Pietersdochter, die zur falschen Zeit am falschen Ort war. Die alte, gebrechliche Frau war zum Beten in die Kirche gegangen, als der Blitz einschlug und sie von der Glocke begraben wurde. Welch tragisches Schicksal. Am 12. Oktober 1654 erlitt die Nieuwe Kerk ebenfalls starke Beschädigungen. Dieser Tag wird als Delfter Donnerschlag bezeichnet, da vormittags das Schießpulverdepot mit 90.000 Pfund Schießpulver explodierte. Die Explosion war so laut, dass der Knall selbst auf der 150 Kilometer entfernten Insel Texel zu hören war. Nach der Explosion wurde in den umliegenden Gemeinden Geld eingesammelt, um noch im gleichen Jahr mit dem Wiederaufbau der Kirche beginnen zu können. Anno 1655 bekam das Baudenkmal seine heutige Form, in dem die Kirche zur Kreuzbasilika aus Stein ausgebaut wurde. Im Jahr 1872 wurde die Turmspitze erneut durch einen Blitzeinschlag zerstört. Nach ihrem Wiederaufbau nach den Entwürfen des legendären Architekten Pierre Cuypers hatte diese eine Höhe von 108,75 Metern. Nur der Turm des Utrechter Doms mit seinen 112 Meter ist höher. Der Turm der Nieuwe Kerk kann bestiegen werden. Nach sage und schreibe 376 Stufen kann man in 85 Meter Höhe ganz Delft und Umgebung überblicken. Die Innengestaltung der Nieuwe Kerk wurde typisch für calvinistische Gotteshäuser recht schlicht gehalten, deren Hauptattraktion das prunkvolle Grabmonument von Wilhelm von Oranien ist. Dieses steht zentral im Chorraum unter einem freistehenden mit Marmorsäulen gestützten Baldachin. Es zeigt den lebensgroßen, sitzenden Wilhelm von Oranien davor und dahinter den Toten Wilhelm, der auf dem Kenotaph liegt. Entworfen wurde das Prunkgrab von dem berühmten Architekten Hendrik de Keyser. Das Denkmal ist mit zahlreichen Symbolen versehen. So stehen die vier Frauenstatuen aus Bronze für die Werte Freiheit, Gerechtigkeit, Glaube und Mut, für die Wilhelm von Oranien gekämpft hat, dessen Lebensmotto “Je maintiendrai”, was “Ich werde bestehen” heißt, war. Wilhelm von Oranien wurde nach seiner Ermordung im Prinsenhof in Delft am 3. August 1584 dort beigesetzt. Dieser war von dem Franzosen Balthasar Gérards im Auftrag des spanischen Prinzen am 10. Juli 1584 erschossen worden. Seine letzten Worte waren: “Mein Gott, Mein Gott, hab Mitleid mit mir und mit diesem armen Volke.” Seit dem Mord am “Vater des Vaterlandes” wie Wilhelm von Oranien genannt wurde, werden die Mitglieder des niederländischen Königshauses, mittlerweile 46 an der Zahl, in der Krypta beigesetzt, die der Öffentlichkeit nicht zugänglich ist. Nur der Bürgermeister von Delft besitzt dafür den Schlüssel. Der Legende nach hat Wilhelms Hund nach dessen Tod jegliche Nahrung verweigert. Ein weiteres bekanntes Grabmal ist das von Hugo Grotius, einem der berühmtesten Söhne der Stadt, der als Vater des internationalen Völkerrechts gilt. Ein politischer Konflikt mit Prinz Maurits brachte diesen ins Gefängnis, aus dem ihm eine spektakuläre Flucht in einer Bücherkiste gelang. Er ging ins Ausland, wo er bis zu seinem Tod lebte. Von dort veröffentlichte er viele Schriften. Ihm wurden auf dem Marktplatz sogar drei Bronzestatuen gewidmet. Besonders erwähnenswert sind die 17 handwerklich gefertigten Bleiglasfenster, die von der Jahrhunderte langen Geschichte dieses einzigartigen Bauwerks berichten. Auch ich kam bei meinem Besuch der Nieuwe Kerk nicht aus dem Staunen heraus und wünsche dir viel Freude mit meinen Foto-Impressionen dieses sakralen Kleinods. 🙂






























