Wiens erste Frau am Galgen

Isabella Mueller @isabella_muenchen Wien Österreich

Am 20. Dezember 1808 wurde in der Piaristengasse im 8. Wiener Gemeindebezirk Josefstadt mitten auf dem Schnee bedeckten Gehweg eine männliche Leiche, die nur noch mit einem Hemd bekleidet war, von Passanten gefunden. Diese alarmierten die Polizei, da der Kopf der Leiche voller Blut war. Mit den Ermittlungen wurde der Gerichtskommissar Seißer und der Polizeibeamte Albrecht betraut, deren Dienststelle sich im städtischen Kriminalgericht auf dem Hohen Markt befand. Ihre erste Station war nicht der Tatort, sondern das Grundgericht von Matzleindorf, da die Leiche schon dorthin transportiert worden war. Dort hatte man festgestellt, dass es sich bei der Leiche um den Lebensmittelhändler Matthias Kandl vom Hungelgrund Nr. 9 zum Salzküffel handelte. Allem Anschein nach war dieser einem Straßenraub zum Opfer gefallen, als er noch Lebensmittel einkaufen gehen wollte, weshalb er 150 Gulden in Bankozetteln mitgenommen hatte, wie seine Ehefrau Theresia Kandl bei der Polizei ausgesagt hatte. Weder das Geld, noch seine Uhr sowie seine Kleidung wurden gefunden, weshalb die Polizei von einem Raubmord ausging. Einzig die Tatsache, dass auf Matthias Kandl zehnmal brutal mit einem Gegenstand eingeschlagen worden war, sprach gegen einen Raubmord. Kandls Witwe, die erst 23 Jahre alte Theresia, war zutiefst erschüttert und konnte nicht fassen, dass ihr geliebter Ehemann getötet worden war. Die Polizei sah in der schönen Frau mit blonden Haaren und blauen Augen, eine bedauernswerte Witwe. Doch als der alteingesessene Bäckermeister Josef Werner aus Heiligenstadt überraschend das Kriminalgericht aufsuchte, um eine Aussage zum Mord an Matthias Kandl bei dem Gerichtskommissar Seißer und dem Polizeibeamten Albrecht zu machen, erschien die Witwe in einem ganz anderen Licht. Dieser war überzeugt, dass sie ihren Ehemann getötet hatte, da sie bereits vor ihrer Ehe und danach eine Beziehung zu einem Fleischersohn aus Mauer pflegte und kurz nach dem Tod ihres Ehemannes schon seine Pfeife an ihren Bruder verschenkt hatte. Die Beamten waren fassungslos über die Vorwürfe. Doch der Bäckermeister beharrte darauf, dass Theresia Kandl eine durchtriebene Mörderin sei. Daraufhin ordneten sie eine Durchsuchung der Wohnung des Ehepaares an. Bei dieser entdeckten sie Blutspritzer an der Wand des Ehebettes, die jemand versucht hatte abzuwaschen. Auch die Kleider von Matthias Kandl, die angeblich beim Straßenraub gestohlen worden waren, tauchten dort auf. Matthias Kandl wurde nicht in der Piaristengasse, sondern in seinem eigenen Bett getötet, entkleidet und weggebracht. Mit diesen neuen Erkenntnissen verhörten sie Theresia Kandl erneut. Theresia Kandl hatte als junges Mädchen ein uneheliches Kind zur Welt gebracht, das kurz nach der Geburt gestorben war. Damit keine Schande auf ihr lag, heiratete die lebenslustige und äußerst attraktive Theresia aus Atzgersdorf am 30. Oktober 1808 in Hietzing den viel älteren Lebensmittelhändler Matthias Kandl aus Matzleinsdorf, ein grober, übergewichtiger Mann, der so gar nicht zu Theresia Kandl, der schönen, zierlichen Frau passen wollte. Theresia Kandl gab während des Verhörs zu, dass sie ihren Ehemann mit ihrem früheren Liebhaber Michael Pellmann aus Mauer betrogen hatte. Diesen beschuldigte sie auch ihren Ehemann mit ihrem Wissen ermordet zu haben. Am 21. Dezember konfrontierten Seißer und Albrecht Michael Pellmann mit Theresia Kandls Anschuldigungen. Dieser gab die Affäre mit ihr zu, hatte aber für die Tatzeit ein hieb- und stichfestes Alibi. Er kam als Mörder nicht in Frage. Darum wurde Theresia Kandl erneut vernommen. Doch sie blieb bei ihrer Version, dass ihr Liebhaber trotz Alibi der Mörder ihres Ehemannes sei. Jedoch knickte sie am nächsten Tag ein und gestand den Mord an ihrem verhassten Ehemann, der sie schlug und seelisch misshandelt hatte. Ihn ihrer Verzweiflung hatte sie ihren Ehemann am 19. Dezember 1808 als dieser sich um acht Uhr abends ins Bett gelegt hatte, mit einer Hacke auf den Kopf geschlagen. In Rage schlug sie zehnmal zu. Dann entkleidete sie ihren Mann und legte ihn in eine Obstbutte. Mit dieser transportierte sie die Leiche von Matzleinsdorf in die Piaristengasse in die Josefstadt, wo sie die Kräfte verließen und sie den Leichnam ablegte. Danach ging sie mit der leeren Obstbutte nach Hause. Dies war eine beachtliche Leistung für die zierliche Person, der sogar ein Polizeidiener begegnet war, der ihr helfen wollte. Bis Mitte Februar 1808 dauerten die Untersuchungen an. Danach folgte das Urteil, das wie folgt lautete: “Die Theresia Kandl soll wegen Meuchelmordes nach Vorschrift § 119 des Gesetztes über Verbrechen mit dem Tode bestraft, und diese Strafe gemäß des § 10 ebendaselbst an ihr mit dem Strange vollzogen werden.” Am 3. März 1809 wurde das Urteil vom Appellationsgericht bestätigt und am 13. März 1809 wurde das Todesurteil verkündet. Theresia Kandl wurde öffentlich an den Pranger gestellt, wo sie von der Bevölkerung beschimpft und bespuckt wurde. Danach wurde sie in die Arme-Sünderzelle gebracht. Dort wartete sie darauf zu ihrer Hinrichtung abgeholt zu werden. Am 16. März 1809 wurde sie um 8 Uhr früh mit dem Malefiz-Wagen vom Hohen Markt zur Hinrichtungsstätte “Spinnerin am Kreuz” mit 332 Mann Kavallerie und 32 Mann Infanterie gebracht. Ihre Hinrichtung wurde zu einem riesigen Volksfest, da nicht nur Wiens schönste Mörderin, sondern auch zum ersten Mal eine Frau am Galgen gehenkt wurde. Neben Galgenbier wurde die schaulustige Masse mit Arme Sünder Würstel versorgt. Um 10 Uhr hing Theresia Kandl tot am Galgen. Gegen 6 Uhr abends wurde ihr Leichnam abgenommen und verscharrt. Dieser wurde jedoch von einem Arzt für Studienzwecke wieder exhumiert. Heute befindet sich das Skelett als Leihgabe im Wiener Kriminalmuseum. An Theresia Kandl erinnert bis heute die Kandlkapelle in Wien-Liesing. Dir wünsche ich viel Freude mit meinen Fotos vom Vermählungsbrunnen auf dem Hohen Markt, von dort aus trat Theresia Kandl ihre letzte Reise in ihrem Leben antrat. 🙂

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