Ein mysteriöser Mordfall ereignete sich im Sommer 1968. Am 27. Juli fanden Spaziergänger in einer Waldschneise bei Lorsch den schwerverletzten 22 Jahre alten Vermessungsgehilfen Michael Schreiber unweit von seinem weißen Opel-Kadett liegend vor. Michael war trotz seiner schweren Kopfverletzungen noch bei Bewusstsein und konnte den Spaziergängern noch mitteilen, dass seine Freundin irgendwo in der Nähe liegen müsste. Die Spaziergänger fanden Michaels Freundin, die 21 Jahre alte Verkäuferin Gudrun Sawitzki, anhand einer Schleifspur 30 Meter entfernt in einer Fichtenschonung tot vor. Der schwerverletzte Michael Schreiber wurde ins Krankenhaus Heppenheim zur ärztlichen Versorgung gebracht, von der er sofort in die Universitätsklinik Heidelberg verlegt wurde, wo er am 30. Juli 1968 ohne nochmals das Bewusstsein zu erlangen, verstarb. Die Polizei ging zunächst von einem Sexualmord aus, da der Unterkörper der Toten völlig nackt war. Die Obduktion ergab jedoch, dass bei Gudrun Sawitzki keine Vergewaltigung vorlag. Gudrun Sawitzki hatte Einschüsse im Kopfbereich. Einmal im Bereich der linken Schläfe und einmal im Nackenbereich. Ebenfalls Einschüsse hatte Michael Schreiber. Einen links temporal über der Schläfe, einen unterhalb des Jochbeins und einen im Halswirbel. Bei der Tatmunition handelte es sich um eine 9-mm-Flobert-Munition. Um den grausamen Doppelmord, der einer Hinrichtung glich, aufzuklären, wurde eine Sonderkommission aus Beamten der stattlichen Kriminalpolizei Heppenheim, Darmstadt und des Landeskriminalamtes Wiesbaden ins Leben gerufen. Wer hatte das offensichtliche Liebespaar, das sich zum Stelldichein im Lorscher Wald getroffen hatte, kaltblütig getötet? Geschah der Mord aus Eifersucht? Laut der Kripo hatte Gudrun Sawitzki am 27. Juli 1968 gegen 13.20 Uhr ihre Arbeitsstelle im Weinheimer Kaufhaus Birkenmaier verlassen. Sie wollte baden gehen. Danach traf sie sich im Weinheimer Burgcafé mit Michael Schreiber. Im Café auf der Starkenburg hielt sich das Paar laut Zeugenaussagen bis 15.30 Uhr auf. Anschließend überquerten sie in Schreibers weißen Opel Kadett die Autobahnüberführung im Lorscher Wald, wo sie auf einer Grünfläche parkten. Eine Stunde später wurden die beiden und der abgestellte weiße Opel von Spaziergängern gefunden. Was war in dieser Zeit passiert? Die Soko ermittelte zunächst im Bekannten- und Freundeskreis des Paares. In der Handtasche von Gudrun Sawitzki hatten sich ein paar beschriebene, noch nicht abgeschickte Postkarten gefunden. Eine war an einen Ali O. aus Weinheim adressiert. Dieser war ein türkischer Gastarbeiter, der wegen des Fahrens ohne Fahrerlaubnis und wegen einer Bedrohungssache einer Frau in Rimbach, die er “Totstechen und Ohrabschneiden” wollte, wenn sie seine Liebe nicht erwidere, polizeibekannt war. Alis Adresse befand sich zudem in Gudruns Sawitzkis Taschenkalender. Aus Gudruns Arbeits- und Bekanntenkreis erfuhr die Kripo, dass Gudrun mit Ali eine Affäre gehabt hatte. Zudem soll Ali auch vor der Tat in der Nähe der Arbeitsstelle von Gudrun gesehen worden sein. Alis Bekannte und Arbeitskollegen sagten gegenüber der Kripo aus, dass Ali ihnen erzählt hatte, dass er nicht mehr mit Gudrun zusammen sei und diese nun einen deutschen Freund habe. Ali wurde mithilfe eines vereidigten türkischen Dolmetschers von der Kripo verhört. Er verwickelte sich dabei immer wieder in Widersprüche und leugnete trotz Gegenüberstellung mit Zeugen, die ihn mit Gudrun zusammen gesehen hatten, diese persönlich gekannt zu haben. Ali hatte zudem für die Tatzeit kein Alibi. Er wurde wegen dringendem Tatverdacht in Untersuchungshaft genommen. Als Tatmotiv galt Eifersucht. Trotzdem verfolgte die Kripo auch andere Spuren. Aufgrund der zahlreichen Medienberichte meldeten sich immer wieder Zeugen. So auch am 03. August 1968. Ein Mann hatte am 27. Juli 1968 mit seiner Familie eine Radtour im Lorscher Wald unternommen. Als ihnen ein Radfahrer gegen 16.10 Uhr aufgefallen war, der von der Harzofen-Schneise auf das Lampertheimer Gescheid einbog und über die Autobahnbrücke fuhr. Der Mann war zwischen 30 bis 35 Jahre alt, etwa 1,73 Meter groß, hatte eine kräftige Figur, gewelltes, mittelblondes Haar und ein derbes Gesicht. Um seinen Hals hing ein Fernglas. Außerdem hatte der Mann ein grünes Hemd und eine ebenfalls grüne Hose an, weshalb sie dachten, dass er Jagd- oder Forstaufseher war. Er war mit einem schwarzen Herrenfahrrad unterwegs und hatte eine Art Adidas-Tasche dabei. Nach Aussage des Zeugen war der Mann gegen 16.30 Uhr auf demselben Weg mit dem Fahrrad zurückgefahren. Er machte diesmal einen hektischen Eindruck. Zudem hatte er trotz der heißen Temperaturen plötzlich einen dunkelblauen, gesteppten Anorak an. Auch das Fernglas hatte er nicht mehr umgehängt. Dem Zeugen wurden daraufhin Fotos von Ali O. gezeigt, den dieser nicht als den Radfahrer identifizierte. Am 5. August 1968 wurde erstmals in der Presse nachdem Radfahrer gefahndet sowie Bilder des Radfahrers auf Plakaten in der Öffentlichkeit aufgehängt. Noch am 5. August 1968 erschien der Familienvater Hans W. auf der Kripo-Dienststelle Heppenheim und gab sich als der gesuchte Radfahrer zu erkennen. Bei der Gegenüberstellung erkannte der Zeuge Hans W. als den gesuchten Radfahrer. Hans W. sagte aus, dass er zur fraglichen Zeit über die Autobahnbrücke im Lorscher Wald gefahren war und kurz danach wieder zurückgekehrt sei. Er hatte eine Fahrradtour gemacht, um den Kopf an der frischen Luft frei zu bekommen. Er konnte sich an den Zeugen erinnern. Erst nach Nachfragen bei seiner Rückfahrt nach Personen und Fahrzeugen erinnerte er sich an den weißen Opel-Kadett in der Nebenschneise. Die Polizei fuhr im Beisein von Hans W. den damals gefahrenen Weg ab, um weitere Erinnerungen zu wecken. Obwohl gegen Hans W. kein Tatverdacht bestand, händigte dieser seine Kleidung aus, die er am 27. Juli getragen hatte. Zudem wollte er sich vom Amtsarzt am 6. August untersuchen lassen. Doch dazu kam es nicht mehr. Denn kurz vor 7.00 Uhr morgens ließ sich Hans W. zwischen Bensheim und Heppenheim von einem Zug überrollen. Neben seiner Leiche wurde ein Abschiedsbrief gefunden, aus dem hervorging, dass er es nicht ertragen konnte, unter Mordverdacht zu stehen. Bei der Hausdurchsuchung von Hans W. wurde in der Waschküche im Aschenfach des Waschkesselofens 3 Flobert-Patronenhülsen Kaliber 9-Millimeter gefunden. Es lag nahe, dass Hans W. Selbstmord begangen hatte, da die Opfer mit Flobert-Munition Kaliber 9 Millimeter ermordet worden waren. Befragungen über Hans W. im näheren Umfeld ergaben, dass dieser nach einem Arbeitsunfall, in dem er sich einen Schädelbasisbruch zugezogen hatte, verändert hatte. Er geriet schnell in Rage und klagte oftmals auch über Kopfschmerzen. Außerdem kam ans Licht, dass Hans W. ein leidenschaftlicher Spanner war, der Liebespaare in ihren Autos beobachtete. Langsam ergab alles einen Sinn. Hans W., der immer von Zuhause mit einem roten Damenfahrrad wegfuhr, hatte sich ein schwarzes Fahrrad von irgendwo zugelegt, um mit diesen auf Spannertour zu gehen. Immer dabei war sein Luftgewehr, dass er in der Adidas-Tasche auf dem Gepäckträger hatte. Die Tatwaffe wurde bis heute nicht gefunden. An den Ärmelbündchen des blauen Anoraks wurden zudem Stofffasern gefunden, die identisch mit Gudruns Kleidung waren. Die Kripo rekonstruierte den Tathergang folgendermaßen. Hans W. hatte den weißen Opel-Kadett auf seiner Radtour entdeckt und beobachtete das Paar mit seinem Fernglas bis Michael Schreiber ihn entdeckte und zur Rede stellte. Es kam zu einer Auseinandersetzung bei der Hans W. auf Schreiber schoss. Danach schoss er auf Gudrun Sawitzki, um die einzige Zeugin aus dem Weg zu räumen. Nachdem Hans W. wahrscheinlich als Täter überführt worden wäre, hatte dieser selbst seinem Leben ein Ende gesetzt. Ali O. wurde endlich aus der Untersuchungshaft entlassen. Damit war der rätselhafte Mord an dem Liebespaar gelöst. Dir wünsche ich viel Freude mit meinen Fotos der Weinheimer Altstadt, in der Gudrun Sawitzki einst gearbeitet hatte. 🙂
































