Im Jahr 1862 wurde in Wien der größte Briefdiebstahl aller Zeiten aufgedeckt, bei dem ein Postbeamter jahrelang über 200.000 Briefe unterschlagen hatte, in denen er Geld vermutete. Bei dem Postbeamten handelte es sich um den 32 Jahre alten Karl Kalab, einen hilfsbereiten und fleißigen Mann, dem niemand eine solche Tat auch nur annähernd zugetraut hatte. Karl Kalab wurde 1930 in Olmütz als Ältester von 7 Geschwistern geboren. Nachdem Besuch des Gymnasiums, fand er schnell eine Anstellung bei der Post. Doch aufgrund der Schulden seines Vaters bei einer Lotto-Annahmestelle, zog die ganze Familie nach Wien, wo sein Vater wieder eine Lottoannahmestelle pachtete und sich erneut verschuldete. Doch diese musste Karls Vater aufgrund eines Augenleidens 1859 aufgeben. Seit 1853 arbeitete Karl als Postexpeditor in einer Vorstadt von Wien. Er verdiente recht wenig und lebte deshalb in der Wohnung seiner Eltern, um Geld zu sparen. Im September 1855 wurde er Akzessist beim kaiserlich und königlichen Hauptpostamt. Karl erhielt mehr Gehalt und sogar Quartiergeld, weshalb er sich ein Zimmer in einem Neubau leisten konnte. Karl war zuständig für den Groß- und Kleinverschleiß von Briefmarken, den Schalterdienst, dem Sortieren der Briefe und der Abfertigung von eingeschriebenen Briefen. Er galt als engagierter Angestellter, der im Herbst 1858 den Schlüssel zu einer Lade erhielt, in der Pakete zur Abholung aufbewahrt wurden. Diese Lade wurde im Laufe der Zeit nicht mehr benutzt. Bald schon wurde jedoch festgestellt, dass immer mehr Briefe verschwanden. Karl, der als besonders zuverlässig galt, wurde mit den Nachforschungen betraut und spürte ziemlich schnell viele verschwundene Briefe wieder auf. Als im Herbst 1862 einer der Kontrolleure erkrankte, wurde dieser durch Karl ersetzt. Doch bereits im Frühjahr 1862 fiel einem Briefträger auf, dass Karl besonders viele Briefe zurückbehielt. Briefe wurden oft zurückbehalten, wenn der Postbeamte den Bestimmungsort nicht zuordnen konnte. Aber da Karl schon so lange im Briefabgabeamt arbeitete, kam es diesen verdächtig vor, da Karl eigentlich alle Bestimmungsorte kennen müsste. Zudem hielt Karl keinen Brief zurück, wenn er von einem Kontrollor beobachtet wurde. Als der Briefträger bemerkte, dass Karl in das nicht mehr verwendete Paketfach einen Umschlag mit Briefen warf, informierte er einen Kontrollor mit seinem Verdacht. Karls Vorgesetzte und Polizeibeamte gründeten daraufhin eine Kommission. Nach kurzen Ermittlungen wurde Karl am 8. April 1862 im Hauptpostamt mit den Vorwürfen konfrontiert und aufgefordert die Lade aufzuschließen. In dieser wurde ein Umschlag, in dem 24 Briefe sich befanden, gefunden. In seinem Schreibtisch befanden sich weitere 44 Umschläge mit Briefen. Karl gestand in den letzten 3 Monaten Briefe entwendet, geöffnet und daraus ungefähr 300 Gulden erbeutet zu haben. Doch damit gab sich die Kommission nicht zufrieden, auch Karls Zimmer in Wien-Neuburg wurde durchsucht. Dort wurden unglaubliche 1659 Pakete mit über 56284 ungeöffneten Briefen gefunden. Es stellte sich heraus, dass Karl seit September 1857 Briefe unterschlagen hatte. Nachdem er 1858 den Schlüssel zur Lade erhielt, entwendete er zunächst 60 bis 70 Briefe pro Tag, später manchmal sogar 300, die er in einer Handtasche oder Reisetasche zu sich nach Hause mitnahm. Karl hatte über 200.000 Briefe veruntreut, in denen oftmals bis zu 100 Gulden waren. Im Winter heizte er seine Wohnung ausschließlich mit den Briefen. Das ergaunerte Geld verprasste Karl nicht. Er lebte weiter bescheiden, unterstützte seine Eltern, legte Geld auf Sparbüchern an und kaufte sich zwei Häuser in Wien-Hietzing. Natürlich rief der größte Briefdiebstahl aller Zeiten großes Medieninteresse hervor und Karl Kalabs Name ging in die Kriminalgeschichte ein, da das Unterschlagen von Postsendungen seitdem kalabisieren genannt wurde. Der aufgedruckte Stempel “Unterschlagen gewesen und zu Stande gebracht” auf den verspäteten Briefen, wurde zum geflügelten Wort in ganz Österreich, da man nun endlich auch in Österreich etwas zustande gebracht hatte. Die neue Berühmtheit nutzte Karl Kalab nichts, der im September 1862 vom Landesgericht Wien wegen Amtsmissbrauch und Diebstahls zu 10 Jahren schweren Kerkers verurteilt wurde. Dieses Urteil bestätigte das kaiserlich und königliche Oberlandesgericht am 11. November 1862. Die Berufung Kalabs verwarf der Oberste Gerichtshof, der das Urteil mit Erlass vom 23. Dezember 1862 bestätigte. Dir wünsche ich viel Freude mit meinen Fotos vom Tiergarten Schönbrunn, der sich wie die gekauften Häuser von Karl Kalab in Wien-Hietzing befindet. 🙂


















