Ein fast perfekte Verbrechen

Isabella Mueller @isabella_muenchen Regensburg

Ein fast perfektes Verbrechen, das selbst den renommierten Rechtsmediziner und Direktor des Leipziger Instituts für Gerichtliche Medizin, Professor Richard Kockel, überraschte, ereignete sich im November 1929. Die Aufklärung dieses Verbrechens führte zu einem der ersten spektakulärsten Prozesse wegen Versicherungsbetrugs. Am 27. November 1929 wurde auf der Landstraße 8 zwischen Nürnberg und Regensburg frühmorgens ein grüner ausgebrannter Opel “Laubfrosch” gefunden. Hinter dessen Steuer wurden die verkohlten Leichenteile eines Mannes gefunden. Die Polizei ging davon aus, dass der Fahrer des Wagens gegen 5.30 Uhr nahe der Ortschaft Etterzhausen bei Regensburg gegen einen Kilometerstein geprallt war und das Auto daraufhin Feuer gefangen hatte. Die Polizei barg aus dem Autowrack eine verkohlte und überraschender Weise auch eine verstümmelte, männliche Leiche. Das Autokennzeichen des Autos ergab, dass der Fahrzeughalter ein gewisser Kurt Erich Tetzner, ein Verlagsvertreter aus Leipzig war. Die Polizei informierte seine Ehefrau Emma Tetzner über den Tod ihres Mannes, die sofort die noch vorhandenen Leichenteile nach Leipzig überführen ließ. Da der Tote sich bei der Versicherung “Nordstern” und drei anderen Gesellschaften für stattliche 145.000 Reichsmark versichert hatte und diese Policen erst sechs Wochen vorher wirksam geworden waren, konsultierte ein Mitarbeiter der “Nordstern”-Versicherung den führenden Rechtsmediziner Deutschlands, Professor Richard Kockel, um die Leiche, die schon in der Kapelle des Südfriedhofs Leipzig lag, zu untersuchen. Die Ehefrau wollte zunächst keiner Obduktion zustimmen, erst nach eindringlichen Nachdruck der Versicherung, willigte sie ein. Bei der Autopsie stellte der Rechtsmediziner Prof. Kockel fest, dass es sich bei dem Toten um einen 18 bis 22 Jahre alten Mann von schmächtiger Statur handelte. Dies traf aber sogar nicht auf Kurt Erich Tetzner zu, der 26 Jahre alt und von großer, kräftiger Statur war. Merkwürdig war auch, dass in den Atemwegen keinerlei Rußpartikel sowie Kohlenmonoxid im Blut nachgewiesen werden konnten, was typisch für ein Brandopfer ist. Die Leiche musste somit nach dem Tod angezündet worden sein. Die Verstümmelung und Entfernung der Gliedmaße deutete daraufhin, dass jemand bewusst versucht hatte, die Identität des Opfers zu verheimlichen. Nach der Obduktion stand fest, dass die Leiche unmöglich Kurt Erich Tetzner sein konnte. Für die Leipziger Kripo war Kurt Erich Tetzner der Mörder des jungen Mannes, der diesen getötet und so verstümmelt hatte, dass seine Identität nicht mehr bestimmt werden konnte. Er hatte so seinen eigenen Tod vorgetäuscht, um die Versicherungssumme abzukassieren. Dieser Verdacht erhärtete sich bei einer erneuten Tatortbegehung, wo ein Stück Gehirn gefunden wurde, dass nicht mit dem Brand in Berührung gekommen war. Doch wo hatte sich Kurt Erich Tetzner versteckt? Der stellvertretende Leiter der Leipziger Kripo, der Kriminalrat von Kriegern, ging davon aus, dass Kurt Erich Tetzner früher oder später Kontakt zu seiner Ehefrau aufnehmen würde. Darum ließ er diese observieren und zapfte auch die Telefonleitung ihrer Nachbarin an, da Emma Tetzner komischerweise zum Telefonieren immer deren Anschluss nutzte. Am 4. Dezember 1929 rief morgens bei Tetzners Nachbarin ein Mann namens Sranelli aus Straßburg an, der Emma Tetzner sprechen wollte. Da diese aber erst wieder gegen 18 Uhr dort war, wollte er es zu dieser Uhrzeit nochmals versuchen. Von Kriegern ließ den Anruf zurückverfolgen, der zu einem Postamt in Straßburg führte, von wo aus der Anruf getätigt worden war. Von Kriegern bat die französische Polizei um Mithilfe und flog umgehend in die elsässische Hauptstadt. Gegen 18 Uhr konnte Kurt Erich Teztner tatsächlich festgenommen werden, als er seine Ehefrau Emma in Leipzig anrufen wollte. Zurück in Leipzig gestand Kurt Erich Tetzner völlig unerwartet einen Mordversuch an dem 23 Jahre alten Alois Ortner. Diesen hatte er am 22. November 1929 unweit von Ingolstadt per Anhalter mitgenommen. An einer abgeschiedenen Stelle hielt er den Wagen wegen eines angeblichen Motorschadens an. Der Schlossergeselle sollte sich den Schaden ansehen und kroch unter das Auto. Als dieser wieder hervorkroch, schlug Tetzner mit einem Wagenheber auf ihn ein. Dem jungen Mann gelang es jedoch sich in den Wald zu retten. Bei Tetzners Geständnis lag dieser noch immer wegen seiner Verletzungen im Ingolstädter Krankenhaus. Danach gestand Tetzner am 27. November 1929 einen Handwerksburschen mitgenommen zu haben. Dieser schlief während der Autofahrt ein. Tetzner fuhr absichtlich gegen einen Kilometerstein nahe Etterzhausen, um eine Autopanne vorzutäuschen. Dann übergoss er den Wagen mit Benzin und ließ den Mann darin verbrennen. Diese Aussage revidierte Tetzner jedoch wieder. Er gab an den Mann angefahren zu haben und wollte ihn anschließend ins Krankenhaus fahren. Doch der junge Mann sei noch im Auto seinen schweren Verletzungen erlegen. Danach sei ihm die Idee mit dem Versicherungsbetrug gekommen, so dass er den Toten ans Steuer gesetzt und das Fahrzeug angezündet hatte. Damit hatte er einen Unfall mit Fahrerflucht und Versicherungsbetrug gestanden, was bei weitem weniger wog als ein Mord. Diese Version hatte Tetzner gut durchdacht und erklärte auch das Fehlen von Ruß und Kohlenmonoxid. Er versuchte damit einer Verurteilung wegen Mord zu entgehen. Am 17. März 1931 begann der spektakuläre Prozess vor dem Regensburger Schwurgericht, der zu einem wahren Medienspektakel wurde. Selbst die internationale Presse war angereist, um darüber zu berichten. Kurt Erich Tetzner wurde wegen Mordes, den das Gericht durch das Gerichtsmedizinische Gutachten von Prof. Richard Kockel als erwiesen ansah, zum Tode verurteilt. Seine Ehefrau Emma erhielt eine Haftstrafe von 4 Jahren wegen Beihilfe. Tetzner reichte im Anschluss an das Urteil ein Gnadengesuch ein und legte abermals ein Geständnis ab, das jedoch wieder Fragen zum Tathergang offen ließ. Am 2. Mai 1931 wurde Kurt Erich Tetzner um 7 Uhr im Hof des Gerichtsgefängnisses Regensburg mit dem Fallbein hingerichtet. Die Identität der zweiten Leiche konnte bis heute nicht geklärt werden. Dir wünsche ich viel Freude mit meinen Fotos von Regensburgs historischer Altstadt, in der Kurt Erich Tetzner seinen letzten Atemzug genommen hatte. 🙂

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