Die lüsterne Nonne

Ausgerechnet eine Nonne sorgte zu Beginn des 17. Jahrhunderts in Italien für einen Skandal, der in die Weltgeschichte einging. Diese Nonne war Marianna de Leyva y Marino, die am 4. Dezember 1575 in Mailand als Tochter des spanischen Grafen von Monza Martino de Leyva y de la Cueva-Cabrera und dessen Ehefrau Virginia Maria Marino das Licht der Welt erblickte. Marianna wuchs im noblen Palazzo Marino in Mailand auf. Dieses luxuriöse Leben ermöglichte ihr ihre Mutter. Denn Mariannas Mutter war nicht nur die Tochter des Bankiers Tommaso Marino, einem der reichsten Männer Mailands, der nach seinem Tod ihr sein gesamtes Vermögen vermachte, sondern sie war auch die Witwe von Ercole Pio von Savoia, einem sehr einflussreichen Mann, mit dem sie den Sohn Marco und vier weitere Töchter hatte. Diese lebten nach ihrer Hochzeit mit Martino de Leyva bei ihrem Vormund Enea Pio di Savoia. Ein Jahr nach Mariannas Geburt starb ihre Mutter an den Folgen der Pestepidemie. Zuvor hatte sie ein Testament aufgesetzt, in dem sie Marianna und ihren ältesten Sohn Marco Pio von Savoia aus ihrer ersten Ehe zu gleichen Teilen als Universalerben und den Nießbrauch an Mariannas Vater bestimmt hatte. Dieses Testament fochten jedoch die leer ausgegangenen Töchter aus erster Ehe an. Es folgte ein langer Rechtsstreit, der mit einer Vereinbarung von Mariannes Vater Martino de Leyva und Marcos Vormund Enea Pio di Savoia endete. Diese sah vor, dass Virginia Marinos Erbe zu 5 Teilen an ihre Tochter Marianna und zu 7 Teilen an ihren Sohn Marco gehe. Nachdem Tod von Mariannas Mutter wuchs diese zunächst bei ihrer Tante mütterlicherseits, Clara Torniello, und anschließend bei ihrer Tante väterlicherseits, Marianna Stampa, auf. Mariannas Vater kümmerte sich kaum um seine einzige Tochter. Er ging lieber geschäftlichen Angelegenheiten in Europa nach und heiratete 1588 in Valencia Anna Viquez de Monchada, mit der er eine neue Familie gründete und seine Tochter nun gänzlich vergaß. Mariannas Vater interessierte einzig deren Vermögen, über das er verfügte. Damit dies auch so blieb, machte er einen schlauen Schachzug, in dem er Marianna im Alter von 13 Jahren zwang ins Benediktinerkloster Santa Margherita in Monza einzutreten. Dafür begleitete er diese am 15. März 1589 persönlich dorthin, wo er der Äbtissin Beatrice Castiglioni die Mitgift für Marianna hinterlegte. Dadurch hatte Mariannas Vater nicht nur die Verfügung über deren gesamtes Erbe, sondern er verhinderte auch, dass Marianna durch eine Ehe, das Familienerbe verteilen konnte. Am 12. September 1591 nach Beendigung des Noviziats legte Marianna ihr Gelübde ab und nannte sich fortan Schwester Virginia Maria, dem Namen ihrer Mutter. Schwester Virgina Maria führte im Kloster ein recht privilegiertes Leben. Sie hatte dank ihrer adeligen Herkunft eine eigene Wohnung sowie 4 Hilfsnonnen und Hofdamen, die ihr zur Seite standen. Schwester Virginia Maria wurde von allen wegen ihrer oftmals herrischen Art nur „die Dame“ genannt. An das Kloster grenzte der Palast des Grafen von Osio an, in dem der junge und wohlhabende Graf Gian Paolo Osio lebte, der von seinem Garten aus einen perfekten Blick auf das Kloster und deren Schülerinnen hatte. Dieser aristokratische Frauenheld war sehr in die Klosterschülerin Isabella Ortensia verliebt, die nach dem bekannt werden der Liebelei aus dem Kloster entfernt wurde. Schuld soll Schwester Virginia Maria gewesen sein, die an der Mädchenschule unterrichtete und die Affäre meldete. Daraufhin tötete der Graf Osio 1589 Molteno, den Treuhänder der Familie de Leyva. Schwester Virginia Maria war entsetzt darüber. Doch der Graf war schlau. Durch unzählige Briefe, gelang es dem Grafen, dass Schwester Virginia Maria ihm vergab und sich sogar unsterblich in ihn verliebte. Zuvor galt Schwester Virginia Maria als tadellose Frau, die sich Briefe mit dem Wissenschaftler Bartholomeo Zucchi schrieb. Schwester Virginia Maria begann eine leidenschaftliche Affäre mit dem jungen Grafen Osio, der sich beim Schmied Cesare Ferrari einen Ersatzschlüssel anfertigen ließ, um in die Privatgemächer seiner Liebsten zu gelangen. Schwester Virginia Maria wurde nicht nur von anderen Nonnen, sondern auch von dem Priester Paolo Arrigone gedeckt. Selbst die Totgeburt eines Sohnes 1602 sowie ein Jahr später die Geburt ihrer Tochter Alma Francesca Margherita, die fortan bei ihrem Vater lebte, der sie 1605 adoptierte, wurde geschickt vertuscht. Mehrfach versuchte sich Schwester Virgina Maria von ihrem Geliebten loszusagen, doch jedes Mal siegte die Leidenschaft. Schwester Virginia Maria soll viele abscheuliche Zauberriten durchgeführt haben, um ihre Besessenheit loszuwerden. Angeblich aß sie auch den Kot ihres Geliebten, um die Lust auf ihren Grafen in Ekel umzuwandeln. Viele Jahre klappte das Vertuschungsmanöver bis 1606 die junge Laienschwester Caterina Cassini aus Meda drohte, die skandalöse Beziehung auffliegen zu lassen. Dies wurde ihr Todesurteil. Der junge Graf erschlug mit einem Brecheisen die Nonne, deren Leiche zunächst im Hühnerstall des Kloster versteckt wurde. Danach wurde sie auf sein Anwesen gebracht, wo die Leiche zerstückelt und ins Kühlfach gelegt wurde. Zuvor hatte er ein Loch in die Wand geschlagen, um glaubhaft zu machen, dass die Laienschwester geflohen sei. Nachdem Mord folgten weitere, damit die Affäre der beiden nicht an die Öffentlichkeit gelangte. So wurde auch der Schmied Cesare Ferrari, der Kopien des Klosterschlüssels angefertigt hatte und der Apotheker Rainerio Roncino ermordet, der Schwester Virgina Maria Abtreibungskräuter besorgt hatte. Die Gerüchte wurden immer lauter, dass der Graf Osio und Schwester Virgina Maria hinter der Mordserie steckten, woraufhin der Gouverneur von Mailand, Fuentes, eine Untersuchung anordnete. Am Karnevalstag 1607 ließ dieser den Graf Osio in Pavia verhaften, der jedoch wenig später fliehen konnte. In Abwesenheit wurde er zum Tode verurteilt und sein gesamtes Vermögen beschlagnahmt. Seit der Flucht des Grafen wechselte dieser ständig sein Versteck, auf den der Gouverneur Fuentes ein Kopfgeld von 1.000 Scudi ausgesetzt hat. Auf der Flucht beging Osio weitere Morde und Mordversuche an den eingeweihten Nonnen. Zum Verhängnis wurde ihm, dass er Unterschlupf bei seinem Freund, dem Grafen von Landrino Cesare II. Taverne suchte, der ihn verriet und ihn im Keller seines Palastes am Corso Monforte zu Tode prügeln und in einer Nische einmauern ließ, wo er bis heute herumspuken soll. Den abgetrennten Kopf soll er dem Gouverneur Fuentes vor die Füße geworfen haben. Währenddessen hatte der Erzbischof Federico Borromeo von dem Skandal erfahren, der den Vikar Gerolamo Saracino zu der Schwester Virgina Maria sandte, um diese zu verhafteten. Am 27. November startete der Prozess gegen Schwester Virginia Maria, die sich durch den Verlust ihres freien Willens und teuflische Kräfte, die am Werk waren, zu verteidigen versuchte. Nach der Folter am 14. Juni 1608 gestand Schwester Virgina Maria die gegen sie erhobenen Anschuldigungen. Am 18. Oktober wurde sie zu lebenslanger Haft in der Klause Santa Valeria in Mailand verurteilt, das für büßende Prostituierte bestimmt war. Damit wurde auf das unmoralische Verhalten von Schwester Virgina Maria hingewiesen, die bei lebendigem Leibe in einem 1,50 x 2,50 Meter kleinen Raum, der einzig zwei Schlitze zum Luftaustausch und zur Versorgung mit Lebensmitteln besaß, eingemauert wurde. Dieses Schicksal ereilte auch die mitwissenden Nonnen. Mehr Glück hatte der Priester Paolo Arrigone, der zu drei Jahren Zwangsarbeit und der Verbannung aus Monza verurteilt wurde. Nach 14 Jahren wurde Schwester Virginia Maria auf Geheiß des Kardinal Borromäus am 22. September 1622 in die Freiheit entlassen. Dieser hatte sich in Gesprächen von ihrer Reue überzeugt. Sie blieb in der Klause Santa Valeria, wo sie am 17. Januar 1650 im Alter von 74 Jahren verstarb. Doch nach ihrem Tod wurde ihr Leben für zahlreichen Film- und Lesestoff verwendet. So basiert die Figur der Nonne von Monza in „Die Verlobten“ von Alessandro Manzoni auf Schwester Virginia Maria. Dir wünsche ich viel Freude mit meinen Fotos von Mailand, der Geburtsstadt von Marianna de Leyva y Marino alias Schwester Virginia Maria. 🙂

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