Die Wotruba-Kirche in Wien: Sakraler Zyklopenbau aus 152 Betonblöcken im Architekturstil des Brutalismus

Isabella Müller Wien @isabella_muenchen

Eine Begegnung der dritten Art hatte ich tatsächlich während meiner Autofahrt durch Wiens 23. Gemeindebezirk. Hier erblickte ich auf einem Hügel stehend, die wohl ungewöhnlichste Kirche, die ich je in meinem Leben gesehen hatte. Bei der Kirche handelt es sich um die Wotruba-Kirche auf dem Georgenberg, die aus 152 Betonblöcken, die ohne Symmetrie aufeinander geschachtelt wurden, besteht. So türmen sich schmale, verschieden hohe Fensteröffnungen zu einem erstaunlich harmonischen Ganzen. Ich parkte mein Auto am Straßenrand und machte mich zu Fuß auf dieses Kuriosum aus nächster Nähe zu betrachten. Diese außergewöhnliche Kirche entstand auf Initiative von Frau Dr. Margarethe Ottllinger und nach der Idee des Bildhauers Fritz Wotruba, der zugleich auch Namensgeber der Kirche zur Heiligsten Dreifaltigkeit ist. Die Intention des Bildhauers war, um es mit seinen eigenen Worten zusagen: “Etwas gestalten, das zeigt, dass Armut nicht hässlich sein muss, dass Entsagen in einer Umgebung sein kann, die trotz größter Einfachheit schön ist und auch glücklich macht.” Margarete Ottillinger wollte wiederum in einem Europa, in dem der Glaube an Gott schwindet, ein Zeichen setzen, um Menschen aufzurütteln und zu zeigen, dass aber trotzdem noch immer Kräfte wirksam sind, die dem Geist des Unglaubens widerstehen. Der Platz vor der Kirche wurde 2013 nach der 1992 verstorbenen Margarethe Ottillinger in Ottillinger-Platz benannt. Anzumerken hierbei ist, dass Margarethe Ottillinger 1948 von der sowjetischen Zone in Österreich verhaftet und als US-Spionin angeklagt wurde. 1949 wurde sie zu 25 Jahren Gulag-Lager, einem Straf- und Arbeitslager in der Sowjetunion, verurteilt. Sie schwor sich, wenn sie je nach Österreich zurückkehren würde, eine Kirche zu bauen. Im Juni 1955 wurde Margarethe Ottillinger freigelassen und 1956 seitens der sowjetischen Behörden freigesprochen. Der Bau der Kirche sollte bereits 1964 erfolgen, doch er verzögerte sich um zwölf Jahre, aufgrund des großen Widerstands der Bevölkerung, die sich gegen die ungewöhnlichen Entwürfe Wotrubas wehrten. Am 24. Oktober 1976 wurde die Kirche schließlich vom damaligen Erzbischof-Koadjutor von Wien der Heiligsten Dreifaltigkeit geweiht und wird seither von einer lebendigen Gemeinde mit Leben erfüllt. Die Wotruba-Kirche entstand in enger Zusammenarbeit mit dem Architekten Fritz Gerhard Mayer, der Wotrubas bildhauerisches Konzept tadellos umsetzte. Wahrlich der Anblick der Kirche war auch für mich im ersten Moment gewöhnungsbedürftig und ich kann verstehen, dass die Meinungen über dieses Bauwerk weit auseinander gehen. Aber Schönheit liegt bekanntlich im Auge des Betrachters und dieser sakrale Zyklopenbau mit einem Gesamtgewicht von über 4.000 Tonnen ist auf alle Fälle ein Eyecatcher. Die römisch-katholische Kirche thront auf dem Georgenberg am Rande des Wiener Waldes und ihr höchster Betonblock misst 13,10 Meter. Die Kirche ist mittlerweile aufgrund ihres Architekturstil des Brutalismus zu einer echten Attraktion für Kunstinteressierte und Architekturstudenten aus aller Welt geworden. Denn die Kirche aus purem Sichtbeton ist einfach besonders. Schon allein ihre verglaste Eingangsfront und der Altarwand aus einem vertikal gestellten Betonblock ist außergewöhnlich. Ich war sehr überrascht von dieser Kirche aus Beton, die idyllisch inmitten der Natur sich befindet und ihren ganz eigenen Charme versprüht. Denn wie heißt es so treffend: “Das, was etwas “Anders” macht, ist das, was es “Besonders” macht. In diesem Sinne viel Freude mit meinen Fotos der etwas anderen Kirche in Wiens 23. Gemeindebezirk. 🙂

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