Die Überwasserkirche: Schauplatz der Plünderungen während der Täuferherrschaft

Isabella Müller Münster @isabella_muenchen

Direkt gegenüber vom Antiquariat Solder, dem berühmten Drehort der kultigen Krimiserie Wilsberg, befindet sich die Überwasserkirche, deren Name sich davon ableitet, dass sie außerhalb der Stadtmauer, also jenseits über der Aa liegt. Der mit der Überwasserkirche verbundene Marienstift für adelige, junge Damen wurde von Bischof Hermann I. gegründet und anno 1040 von König Heinrich III. geweiht. Im Jahr 1617 wurde der Damenstift in ein Benediktinerinnen-Konvent umgewandelt bis er 1773 aufgehoben wurde. Ein Neubau der Kirche erfolgte bereits von 1085 bis 1088, da die Kirche einem Brand zum Opfer gefallen war. Danach setzten zwei weitere Brände in den Jahren 1121 und 1197 dem Sakralbau erheblich zu, so dass 1340 mit dem Bau der heute existierenden gotischen dreischiffigen Hallenkirche begonnen wurde. Dieser Bau erfolgte in drei Bauphasen. So wurde von 1345 bis 1346 der Chorraum errichtet, der Westturm von 1363 bis 1374 und im Jahr 1415 war der Sakralbau fertiggestellt. Schwere Beschädigungen erlitt die Kirche während der Täuferherrschaft in Münster. Die Reformation setzte sich seit 1530 in allen Pfarrkirchen durch und als der Täufer Jan Matthys 1534 nach Münster kam, begann die Zeit der Massentaufen der Einwohner. In dieser Zeit kam es auch zu gewaltsamen Plünderungen der Bürger in der Kirche. Dabei rissen diese die gotischen Figuren vom Westportal und stürzten die Turmspitze in die Tiefe, um auf dieser entstandenen Plattform ihre Geschütze aufzustellen. Heute befinden sich die Skulpturen im Westfälischen Landesmuseum. Am Westportal sind Kopien von der Marienstatue und den drei Apostelfiguren von Anton Rüller angebracht. Diese sogenannten Überwasserfiguren wurden 1898 bis 1899 bei Ausgrabungen nahe der Kreuzschanze entdeckt. Die über 200 Bruchstücke und Skulpturen wurden von den Täufern aus den Kirchen Münsters herausgeschlagen und zur Verstärkung des Stadtwalls genutzt. Dabei stammen einige aus dem Bereich des Doms und andere aus dem Westportal der Überwasserkirche. Nach der Täuferherrschaft und der Rückeroberung Münsters unter den Truppen des Fürstbischofs Franz von Waldeck 1535 erhielt der Turm eine aufgesetzte Turmhaube, die 1704 bei einem Orkan zerstört und nicht wieder erneuert wurde. Trotzdem gilt dieser als einer der imposantesten gotischen Kirchtürme Westfalens. Besonders beeindruckend im Hallenraum, der sich aus sechs schmalen rechteckigen Mittelschiffjochen mit einem quadratischen Seitenschiffjoch zusammensetzt, sind neben den meisterhaft geschnitzten Sitzen des Chorgestühls von 1540, die beiden Votivtafeln der Familien von Ludger und Hermann tom Ring, der Alabaster-Taufstein von Johann Wilhelm Gröninger von 1720 sowie das Hochaltarbild mit der Himmelfahrt Mariens von Matthias Kappers von 1763. Die gotische Überwasserkirche mit ihrem stadtbildprägenden Turm ist neben dem Paulusdom einer der ältesten Kirchen der Stadt, die mir interessante Einblicke in Münsters Stadtgeschichte, vor allem während der Täuferherrschaft ermöglichte. Eine Anekdote besagt, dass 1534 die damalige Äbtissin des adeligen Marienstifts Ida von Merveldt mit zwei ihrer als Nonnen verkleideten Mägde vor den gewaltsamen Raubüberfällen der Täufer mit Milchkannen auf ihren Köpfen, in denen sie Kostbarkeiten versteckt hatten, flohen. Dir wünsche ich viel Freude mit meinen Fotos dieser bemerkenswerten Überwasserkirche mitten in Münsters Altstadt. 🙂

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