Die verhängnisvolle Buchsucht

Isabella Mueller @isabella_muenchen Leipzig

Die größte Sucht des sächsischen Pfarrers Johann Georg Tinius waren dessen Bücher, die ihm schließlich zum Verhängnis wurden. Denn um seine Büchersucht zu befriedigen, schreckte dieser selbst vor einem Mord nicht zurück. Johann Georg Tinius wurde am 22. Oktober 1764 in Staakow als Sohn eines Schäfers geboren. Er war ein intelligenter Junge, der aufgrund seiner Hochbegabung nach seinem Besuch der Schule in Luckaus einen Förderer fand, der ihm ab 1789 ermöglichte an der renommierten Universität in Wittenberg Theologie zu studieren, das er mit einem Magister in Theologie abschloss. Anschließend war Tinius von 1795 bis 1798 als Tertius am Gymnasium in Schleusingen tätig, bis er 1798 zum Pfarrer von Heinrichs bei Suhl ernannt wurde. Tinius war in der Bürgerschaft äußerst beliebt, wodurch 1801 seine vorläufige Einsetzung in das Amt des verstorbenen Pfarrers der Kreuzkirche durch das Oberkonsistorium Dresden erfolgte. Dies missfiel dem Bürgermeister und dem Rat der Stadt, da diese eine politische Spaltung der Bürgerschaft befürchteten. Um Tinius loszuwerden, setzten sie reihenweise Gerüchte in die Welt. Sie beschuldigten diesen nicht nur einen unrühmlichen Lebensstil zu führen, sondern auch dass seine Predigten von der reinen Lehre des Christentums abweichen würden. Darüber hinaus hatte er sein Kind erst nach 5 Tagen getauft, die Pfarrwiese zum Nachteil des Gemeindebodens erweitert und einen Leichenstein veräußerst. Jedes Mittel war recht, damit Tinius seines Amtes enthoben wurde. Den Vorwürfen musste nachgegangen werden. Die Untersuchung führte das Konsistorium Schleusingen auf Anordnung des Oberkonsistoriums durch. Dieses fällte sein Urteil zum Nachteil von Tinius, dem dadurch im Oktober 1802 die Ernennung zum Pfarrer der Kreuzkirche wieder entzogen wurde. Tinius wehrte sich heftig gegen diese Entscheidung und warf dem Konsistorium Befangenheit gegenüber dem Bürgermeister und dem Städtischen Rat in Suhl vor. Tinius verlangte eine finanzielle Entschädigung für den entstandenen finanziellen Ausfall, den er für die Versorgung seiner Kinder benötigte. Doch der Untersuchungsprozess darüber sollte sich als langwierig herausstellen, der noch nicht einmal beendet war, als Tinius 1810 als Pfarrer nach Poserna ging. Erst nach Tinius Amtsenthebung als Pfarrer von Poserna wurde dieser im Frühjahr 1814 eingestellt. Aber der Reihe nach. Tinius setzte während der Untersuchung alles daran, seinen guten Ruf wiederherzustellen. Er nahm selbst als der Pfarrer von Goldlauter gestorben war und die Stelle für dessen Sohn Ernst Anschütz freigehalten wurde, von Oktober 1806 bis April 1807 das Vikariat der dortigen Pfarrstelle an, obwohl der Weg dorthin zu Fuß sehr lang und beschwerlich war. Doch die Mühe zahlte sich aus. Denn am 12. Dezember 1806 bescheinigte ihm das Konsistorium Schleusingen, dass er sein „Pfarramt mit Geschicklichkeit, Treue und Sittlichkeit verwaltet hat“ und die Kirchenkasse um 300 Gulden während seiner Dienstzeit vermehrt hatte. Doch Tinius hatte ein Laster und das waren Bücher. Seit seiner Zeit in Schleusingen war er dem Sammeln von Büchern verfallen. Diese Sammelwut hatte sowohl Tinius erste, als auch dessen zweite Ehefrau unterstützt, die beide über ein staatliches Vermögen verfügten. In Poserna hatte er mittlerweile 50.000 bis 60.000 Bücher gesammelt. Er war ein Bibliomane, dessen Familie im Erdgeschoss lebte, während er es bevorzugte im Dachgeschoss umgeben von seinen geliebten Büchern zu hausen. Damit seine Sammlung immer wieder wuchs, fuhr er oftmals in die Buchstadt Leipzig, um Bücher oder sogar ganze Bibliotheken zu kaufen. Dies war ein recht kostspieliges Hobby, weshalb sich Tinius hochverschuldete. Denn Tinius war schlichtweg besessen von Büchern, weshalb er ständig Geld benötigte. Dann wurde am 28. Januar 1812 der betagte Kaufmann Schmidt in seinem Haus in der Grimmaische Straße in Leipzig überfallen, ausgeraubt und brutal niedergeschlagen, der am 6. April desselben Jahres an den Folgen des Raubüberfalls verstarb. Ein Jahr danach wurde am 8. Februar 1813 die 75 Jahre alte Witwe des Briefträgers Kunhardt in ihrer Wohnung am Neumarkt in Leipzig überfallen, mit einem Hammer zum Justieren von Bücherregalen niedergeschlagen und ausgeraubt. Die Witwe verstarb in der Nacht zum 10. Februar an ihren schweren Kopfverletzungen. Aufgrund der Beschreibung des Dienstmädchens geriet Tinius unter dringenden Tatverdacht, der am 4. März 1813 verhaftet und nach Leipzig zum Verhör gebracht wurde. Dort beteuerte Tinius seine Unschuld. Zu allem Überfluss erfolgte am 31. März 1814 in der Nikolaikirche in Leipzig dessen Amtsentsetzung, damit war sein Schicksal besiegelt. Der Prozess wegen der Morde an dem Kaufmann Schmidt und der Witwe Kunhardt zogen sich aufgrund der Teilung Sachsens jahrelang hin. Anno 1820 war es endlich so weit. Zwar reichten die Beweise nicht aus Tinius den Mord an dem Kaufmann Schmidt nachzuweisen. Doch Tinius wurde wegen dem Mord an der Witwe Kunhardt zu 18 Jahren Zuchthaus verurteilt. Noch während des Prozesses ließ sich seine 2. Ehefrau scheiden. Die wertvolle Büchersammlung von Tinius wurde 1821 bei Weigel in Leipzig versteigert, bei der auch Johann Wolfgang von Goethe Bücher für die Bibliothek in Jena erwarb. Anno 1823 legte Tinius Berufung ein. Seine Gesamtstrafe wurde aufgrund seiner langen Untersuchungshaft und seinem vorgerückten Alter verkürzt. Im Jahr 1835 wurde Tinius im Alter von 71 Jahren entlassen, der völlig mittelos war und erstmal im Armenhaus in Zeitz Unterschlupf fand, bis er 1840 zu seinen Verwandten nach Gräbendorf zog, wo er bis zu seinem Tod am 24. September 1846 lebte. Dir wünsche ich viel Freude mit meinen Fotos von Leipzig, nicht nur dem Schauplatz der beiden Morde, sondern auch des Prozesses und der Verurteilung von dem Bibliomanen Tinius. 🙂

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