Die Paulinerkirche in Leipzig: Überlebende des Zweiten Weltkriegs, aber Opfer des Sozialismus

Isabella Müller Leipzig @isabella_muenchen

Die Paulinerkirche in Leipzig war eine der wenigen Bauwerke, die den Zweiten Weltkrieg fast unversehrt überlebte, aber zum Opfer des Sozialismus wurde und schließlich am 30. Mai 1968 gesprengt wurde. Die Geschichte der Paulinerkirche reicht bis ins Jahr 1231 zurück. In diesem Jahr wird mit dem Bau der Klosterkirche St. Pauli der Dominikaner, regional Pauliner genannt, zu Ehren des Heiligen Paulus auf dem Augustusplatz begonnen. 1240 wird die Klosterkirche mit einschiffigem Chor und dreischiffigen Langhaus geweiht. Im Jahr 1393 bekommt die Nordseite der Klosterkirche eine Marienkapelle, die von einer Familie gestiftet wurde. Weitere Anbauten erfolgten Mitte des 15. Jahrhunderts in Form der Haugkwitzsche und Leimbachsche Kapelle sowie der Thümmelsche Kapelle. Nach der Reformation wurde der Dominikanerkonvent 1539 wie alle Klöster in Sachsen aufgelöst. Die Klosterkirche wurde säkularisiert und Herzog Moritz von Sachsen übertrug sie 1543 der Universität Leipzig. Es erfolgte ein Umbau zu einem evangelischen Gotteshaus. Im Jahr 1545 wurde die Kirche von dem legendären Augustinermönch und Theologieprofessor Martin Luther zur evangelischen Universitätskirche geweiht. Seitdem fungierte ihr Kirchenraum als Gottesdienstraum und Aula für akademische Festakte. Die Errichtung der Schwendendörffer Kapelle erfolgte 1617. Kein geringerer als Johann Sebastian Bach führte 1717 die Orgelprüfung der neu erbauten Orgel von Johann Scheibe durch. 1813 kam der Kirche im Zuge der Völkerschlacht bei Leipzig eine besondere Bedeutung zu, da sie als Gefangenenlager und Lazarett genutzt wurde. Zwischen 1831 bis 1836 wurden die im Süden angrenzenden Klostergebäude für die Errichtung des Augusteums, dem neuen Hauptgebäude der Universität, abgerissen. Die Fassade der Kirche wurde im Zuge dessen der klassizistischen Fassade des Augusteums angeglichen. Im Jahr 1844 kommt es zum Abriss der Kapellen an der Nordseite. Anlässlich der Umgestaltung des Augusteums 1897 im Stil der Neorenaissance durch Arwed Roßbach erhält die Kirche eine Fassade im neogotischen Stil. Zudem wird ein Turm gebaut, der den Übergang der Kirche zum neu erbauten Albertinum markiert. Das Gebäudeensemble bestehend aus Paulinerkirche und Augusteum bestimmte bis zu seiner Sprengung 1968 die Westseite des Augustusplatzes. Doch wie konnte es überhaupt zur Sprengung der Universitätskirche kommen, die alle Kriege unversehrt überstanden hatte? Die Paulinerkirche mit dem Augusteum war dem Sozialismus ein Dorn im Auge und der SED-Chef Walter Ulbricht soll beim Anblick der Paulinerkirche gesagt haben: „Das Ding muss weg!“. Für die sozialistische Neugestaltung des Platzes wurde die Paulinerkirche schließlich am 30. Mai 1968 gesprengt. Weder die Stadtverordneten noch die Universität leisteten Widerstand gegen den willkürlichen Akt dieses diktatorischen Regimes. Daran erinnert eine Gedenktafel, die am Paulinum angebracht ist. Nach der Zerstörung dieses Kulturguts wurde 1993 ein Paulinerverein von Leipziger Bürgern gegründet, die einen Wiederaufbau der Universitätskirche und dem Augusteum forderten. Nach drei Architekturwettbewerben ging 2004 der Rotterdamer Architekt Erick van Egeraat als Sieger hervor. 2012 wird das Augusteum vollendet. Das Paulinum bestehend aus der Aula und der Universitätskirche St. Pauli wurden in einem dreitägigen Festakt anlässlich des 608. Jubiläums der Universität Leipzig vom 1. Dezember bis 3. Dezember 2017 eingeweiht. Das Paulinum beherbergt heute zahlreiche vor der Vernichtung gerettete Kunstschätze wie die wertvollen Epitaphien und bildet das geistige sowie geistliche Zentrum der Universität im Herzen Leipzigs. Ich konnte die Entstehung dieses Baus ab 2007 immer wieder phasenweise miterleben und bin von der architektonischen Schönheit des neuen Augusteums und des Paulinums, zwei so wichtiger Kulturgüter, immer wieder aufs Neue fasziniert. Euch wünsche ich viel Freude mit meinen Fotos davon. 🙂

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