Die alte Bettlerin und die treue Magd

Isabella Müller Österreich @isabella_muenchen

In der unberührten Naturlandschaft des Nationalparks Donau-Auen im niederösterreichischen Marchfeld liegt das prunkvolle Schloss Eckartsau. Dieses barocke Jagdschloss wird von einem 27 Hektar großen englischen Landschaftspark eingerahmt, der nur so von monumentalen Bäumen wimmelt. Neben Rotbuchen, Eichen, Zedern und Wacholder besitzt er auch alle Arten von Föhren. Von einer solchen Föhre handelt auch eine alte Sage aus dem Marchfeld. Denn dort gab es einst eine uralte Föhre, die aufgrund ihres vorzüglichen Wuchses auch die stolze Föhre genannt wurde. In ihr lebte eine bildhübsche Fee, die sich tagsüber in eine alte Frau verwandelte, die sich unter den Baum setzte und die Leute, die an ihr vorbei liefen nach Gaben fragte. Da kein Mensch wusste, dass sich hinter der alten Frau eine wunderschöne Fee verbarg, konnte sie auf diese Weise das Herz der Menschen testen. Täglich kam ein reicher Großbauer mit seiner Magd an ihr vorbei, um auf dem Feld die Arbeit zu verrichten. Während die Magd ihr Brot mit der alten Bettlerin teilte, hatte der Großbauer nur böse Worte für die alte Frau übrig. Es grollte ihn sehr, dass seine Magd ihren Proviant, den er ihr gab, mit dieser Bettlerin teilte. Darum rationierte er die Portion jeden Tag ein bisschen mehr bis er sie schließlich eines Tages ganz weg ließ. So musste die Magd hungrig ihre Feldarbeit verrichten. Doch dies tat ihr bei Leibe nicht so weh wie die Tatsache, dass sie der alten Frau kein Stückchen Brot mehr geben konnte. Sie weinte bittere Tränen deswegen. Den geizigen Großbauern interessierte dies herzlich wenig. Er freute sich vielmehr, dass er zu einer Hochzeit im Nachbardorf eingeladen war, bei der er von morgens bis abends essen und trinken konnte, ohne dafür auch nur Geld ausgeben zu müssen. Er genoss das Fest in vollen Zügen und machte sich erst spätabends auf dem Weg nach Hause. Sein Heimweg führte ihn an der Föhre vorbei, doch zu seiner Verwunderung stand nicht die Föhre dort, sondern ein prächtiger Palast, der hell erleuchtet war. Da die Tür weit offen stand, betrat er den Palast. Durch Musik angelockt, gelangte er in einen Festsaal, in dem eine große gedeckte Tafel mit allerlei Leckereinen darauf stand. An der Tafel saßen Zwerge und eine überirdisch schöne Fee, die ihn zu Tisch einlud. Dankend nahm er die Einladung an. Er nahm Platz und verschlang sogleich Unmengen an Essen. Er stopfte sich seinen Bauch mächtig voll und packte alles, was nicht in seinen Mund gelangte, in einen großen Sack, den er bei sich hatte. Nach einiger Zeit begaben sich die Fee und die Zwerge zum Tanzsaal. Da der Bauer daran kein Interesse hatte, verabschiedete er sich von der Gesellschaft. Zuhause angekommen erzählte er jedem auf seinem Hof von dem wunderschönen Palast. Als Beweis wollte er seine Leckerbissen aus dem Sack präsentieren. Doch als er diesen öffnete und die Köstlichkeiten herausnehmen wollte, war der Sack nur mit Kuhmist gefüllt. Die Hofleute brachen in schallendes Gelächter aus und in seiner Wut warf er den Kuhmist in die Schürze seiner Magd. Spöttisch meinte er nur, dass diese ihn mit der Bettlerin teilen könne. Die Magd lief ohne ein Wort zu sagen zum Mistplatz. Als sie ihre Schürze leeren wollte, hörte sie ein leises Klingeln. Erstaunt darüber schaute sie nach und konnte ihren Augen kaum trauen. Denn die Schürze war voll von klingenden Goldstücken. Außer sich zur Freude lief sie zur alten Föhre, um den Schatz mit der alten Bettlerin zu teilen. Doch als sie dort ankam, war die Nacht schon hereingebrochen und aus der alten Frau war eine zauberhafte Fee geworden, die die Magd aufgrund ihres treuen Herzens mit Reichtümern und Schönheit überhäufte, so dass sie die Braut eines Grafensohnes wurde. Sie lebte mit ihm glücklich bis an ihr Lebensende und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute. In diesem Sinne viel Freude mit meinen Fotos vom prächtigen Schloss Eckartsau mit seinem märchenhaften Schlosspark, das als letzte Residenz des entmachteten österreichischen Kaisers Karl in die Weltgeschichte einging. 🙂

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