Der bittere Beigeschmack

Isabella Mueller @isabella_muenchen Osnabrück

Ein skandalöser zweifacher Justizirrtum ereignete sich vor dem Landgericht Osnabrück 1995, der das Leben von zwei unschuldigen Menschen völlig auf den Kopf stellte und fast schon ruinierte. Doch wie konnte es überhaupt kommen, dass zwei Männer unschuldig jahrelang ihr Dasein hinter Gitter fristen mussten? Anno 1994 behauptete die 18 Jahre alte Schülerin Amelie, dass ihr Vater sie in den letzten 6 Jahren 10 Mal vergewaltigt habe. Außerdem hatte er eine Abtreibung an ihr mit einem Kleiderbügel begangen. Der Kraftfahrer Adolf S. wurde daraufhin zu 7 Jahren Haft verurteilt. Amelie bezichtigte nun auch ihren Onkel Bernhard M. der vierfachen Vergewaltigung. Dieser bestritt die Tat vehement. In der ersten Hauptverhandlung widerlegte ein Augenscheintermin, dass eine Vergewaltigung wie von Amelie beschrieben im Toyota Corolla aufgrund der Körpermaße der Beteiligten nicht durchführbar gewesen sei. Der Richter stellte dem Anwalt von Bernhard M. eine Bewährungsstrafe in Aussicht, wenn er eine Vergewaltigung gestand. Doch Bernhard M. entzog seinem Anwalt das Mandat. Es kam zu einer neuen Hauptverhandlung mit einem neuen Anwalt. Bei dieser wurden die entlastenden Umstände trotz demselben Richter und Staatsanwalt völlig außer Acht gelassen. Bernhard M. wurde am 29. Januar 1996 zu 4,5 Jahren Haft verurteilt. Beide Verurteilungen basierten nur auf den Aussagen von Amelie. Die Revision wurde in beiden Fällen vom Bundesgerichtshof verworfen. Was keiner wusste, vielmehr von Anfang an vertuscht wurde, war die Tatsache, dass Amelie an einer Persönlichkeitsstörung vom Borderline-Typus litt und stationär von einem Psychiater deswegen behandelt wurde. Dieser bestritt aber im Prozess Amelies Behandlung, um die Glaubwürdigkeit ihrer Aussagen nicht zu gefährden. Amelie, die nach einem Streit mit ihrem zum Teil gewalttätigen Vater bei ihren Großeltern lebte, kam nach einem Selbstmordversuch aus Liebeskummer in die Jugendpsychiatrie, wo sie sich regelmäßig mit Glasscherben ritzte. Darüber hinaus nahm sie wahllos Tabletten ein, schrieb Abschiedsbriefe und unternahm weitere Suizidversuche. Zwischenzeitlich hatte sowohl ihr Onkel als auch ihr Vater die Haftstrafen vollständig verbüßt. Da passierte 2002 das Unglaubliche, eine Gerichtsreporterin veröffentlichte ihre Recherchen zu den beiden Urteilen und deckte damit einen zweifachen Justizirrtum auf. Diese war durch den Hinweis eines Rechtsmediziners auf die Fälle aufmerksam gemacht worden. Nach aufwändiger Recherchearbeit wandte sie sich an einen Strafverteidiger, der ein Wiederaufnahmeverfahren zunächst für Bernhard M. verfasste und am 2. Mai 2002 einreichte. Dieses basierte auf folgenden Punkten. Aufgrund einer Hirnhautverletzung im Säuglingsalter war Bernhard M. alibidös. Er hatte keine stabile Erektion und war nicht zum Geschlechtsverkehr fähig. Außerdem gab es Absprachen zwischen Amelie und ihrer Betreuerin. Darüber hinaus hatte Amelie in der Hauptverhandlung das Vergewaltigungsdatum einfach geändert, nachdem eine Zeugin Bernhard M. zu diesem Datum ein Alibi gegeben hatte. Dies hatte Amelie von einer ermittelnden Beamtin erfahren, worauf sie das Datum einfach wechselte. Wie bereits oben erwähnt hatte die Vergewaltigung im Toyota Corolla aus Platzgründen nicht stattfinden können. Zudem nahm Amelie die Gerinnungshemmer Marcumar und Aspirin, um sich Hämatome selbst zuzufügen. Da Amelie an Borderline erkrankt war, war ihre Glaubwürdigkeit stark eingeschränkt. Das neue Verfahren gegen Bernhard M. endete am 14. Dezember 2005 mit einem Freispruch. Bernhard M. war erwiesene Unschuld attestiert worden. Danach beantragte der Strafverteidiger das Wiederaufnahmeverfahren von Adolf S., der am 2. Oktober 2006 ohne Neuverhandlung freigesprochen wurde. Skandalös war, dass Amelies Aussagen ohne stichhaltige Beweise einfach geglaubt wurden und die Diagnose Borderline bewusst genauso wie ein Brief den Amelie geschrieben hatte, in dem sie gestanden hatte, dass ihre Vorwürfe frei erfunden waren, verschwiegen wurden, um Amelies Glaubwürdigkeit vor Gericht nicht zu gefährden. Die Kriminalpolizei hatte keine Spermaspuren gesichert und gab sowohl dem Opfer als auch der Klinikleitung rechtswidrig Informationen über die laufenden Ermittlungen weiter. Außerdem hatte das Landgericht Osnabrück in beiden Prozessen keine unabhängigen psychiatrischen Begutachtungen der Zeugin eingeholt. Selbst die Begutachtung von Bernhard M. trotz seiner sexuellen Appetenzstörung wurde unterlassen. Zwar wurde die Unschuld der beiden Männer bewiesen trotzdem haftet bei diesen lebelang ein bitterer Beigeschmack an. Dir wünsche ich viel Freude mit meinen Fotos von Osnabrück, dem Ort, wo einst zwei Unschuldige zu Unrecht wegen der Vergewaltigung von Amelie, verurteilt wurden. 🙂

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