Der König der Bettler

Mariahilf ist der 6. Wiener Gemeindebezirk, der mit der gleichnamigen Mariahilfer Straße die größte und populärste Einkaufsstraße Wiens besitzt, in der Shoppingsüchtige voll auf ihre Kosten kommen. Der angesagte Bezirk wird dabei im Norden von der Mariahilfer Straße und im Süden vom Wienfluss begrenzt, was einen Höhenunterschied von 30 Metern bedeutet. Um diesen auszugleichen gibt es in diesem Bezirk viele sogenannte Stiegen. Eine davon und zugleich die markanteste ist die Rahlstiege. Diese historische Treppe wurde 1870 fertiggestellt und wird am oberen Ende mit dem Gänsemädchenbrunnen von Anton Paul Wagner gekrönt. Vor der Schleifung der Basteien grenzte dort die ehemalige Vorstadt Laimgrube an das Glacis. Dort hauste auch der legendäre Bettlerkönig Blitzaug, der seinen Namen durch seinen stechenden und schielenden Blick erhielt und um den die Sage vom Bettlerkönig rankt. In längst vergangener Zeit jagte Blitzaug durch seine wilde Erscheinung und seinen gewaltigen Holzstock den Leuten, die er anbettelte, einen riesigen Schreck ein. Diese überhäuften ihn mit Geld, nur damit er das Weite suche. So wurde er zum König unter den Bettlern. Es trug sich zu, dass am 6. Juni 1451 der populäre Priester und Prediger, Johann Capistran, nach Wien kam. Zur damaligen Zeit strömten Tausende von Wienern zu seiner Predigt. Darunter auch Blitzaug mit seinem Gefolge. Nach der Predigt gingen die Menschen und ältere Bettler reumütig nach Hause, während Blitzaug und die jüngeren Bettler ein Wirtshaus aufsuchten, um ordentlich zu bechern. Die Stimmung wurde immer ausgelassener und es zog ein Gewitter auf. Es blitzte und donnerte gewaltig. Vom Gewitter angestachelt begann der angetrunkene Blitzaug ein Spottlied auf Capistran zu singen. Er sang immer lauter, um das Gewitter zu übertönen bis plötzlich ein Blitz bei ihm einschlug. Schlagartig hörte er auf zu singen und stand starr da. Er war seitdem blind und stumm. Seine einstigen Bettlerfreunde wandten sich von ihrem Bettlerkönig ab, da er ihnen nicht mehr von Nutzen war. Einsam und ganz verarmt starb er nach einigen Jahren. So die Legende von Blitzaug, dem König der Bettler. Historisch betrachtet war nicht der Bettlerkönig der Böse, sondern vielmehr Johann Capistran, der als Großinquisitor die Verfolgung der Juden in Sizilien, Moldawien und Polen einleitete, um deren Geld für die Kirche einzukassieren sowie Soldaten für die Kreuzzüge zu akquirieren. Daher ist es kaum verwunderlich, dass die jungen Bettler aus Mariahilf nichts von der Predigt hielten. Denn sie wollten nicht als Soldaten unter zweifelhaften Versprechungen in ein fremdes Land ziehen. Soweit zu den geschichtlichen Fakten. Euch wünsche ich viel Freude mit meinen Fotos der prunkvollen Rahlstiege im 6. Wiener Gemeindebezirk Mariahilf. 🙂

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